2. Konzeption des Jugendberichts

2.3.2. Soziale Faktoren

Die sozialen Faktoren haben im Leben eines jeden Menschen einen großen Einfluss. Während des Heranwachsens des Jugendlichen kann diesen Faktoren jedoch ein besonders hoher Stellenwert zugeschrieben werden. Hierbei kommen der Familie und der Gruppe der Peers (Gleichaltrige) im Hinblick auf Wohlbefinden und Gesundheit des Jugendlichen eine wichtige Bedeutung zu.

Familie

Die Familie ist die primäre und meist zentrale Sozialisationsinstanz im Leben eines Menschen (Schneewind, 2010) und prägt auch die wohlbefindensorientierte und gesundheitliche Entwicklung. Innerhalb der Familie werden nicht nur körperbezogene Aspekte und Praktiken des Alltags (u. a. Ernährung, Körperpflege, Zahnhygiene), sondern auch gesundheitsrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen durch Modellernen (Bandura, 1977) weitergegeben, die von den Kindern oftmals im Erwachsenenalter beibehalten werden (Campbell, 2000). Die Familie ist somit entscheidend an der gesundheitlichen Sozialisation beteiligt und vermittelt den Kindern und Jugendlichen eine „somatische Kultur“ (Mrazek, 2006).

Innerhalb der Familie können Jugendliche also gesundheitsrelevante Handlungsbefähigungen erwerben und darüber hinaus lernen, Handlungsoptionen in Abhängigkeit von der Situation einzuschätzen und mit den zur Verfügung stehenden Handlungsressourcen abzustimmen (Seckinger, 2013), und somit ihre Agency zu stärken.

Die Familie ist in ihrer Funktion jedoch nicht nur als Sozialisationsinstanz zu betrachten, die soziale Handlungskompetenz im Sinne des Capability-Ansatzes und Agency-Konzeptes ermöglichen und vermitteln soll; sie erfüllt auch grundlegende Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nach Geborgenheit, Sicherheit, Schutz und Fürsorge (Nave-Herz & Onnen-Isemann, 2007). Gerade im Jugendalter spielt der Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit verbunden mit dem Bedürfnis nach Anerkennung, Gruppenzugehörigkeit, sozialer Einbindung und interpersonalen Bindungen eine wichtige Rolle. Innerhalb der Wohlbefindensforschung werden diese grundlegenden Bedürfnisse des Jugendlichen ebenfalls in den Blick genommen. So bestimmen u. a. der Einfluss des familiären und schulischen Wohlbefindens sowie das Wohlbefinden im Freundeskreis das allgemeine Wohlbefinden der Jugendlichen oftmals entscheidend mit (Hurrelmann & Andresen, 2010; Müthing et al., 2018), wobei vor allem die Eltern-Kind-Relation eine wichtige Funktion bzgl. des Erwerbs von Schutzfaktoren einnimmt (Wright & Masten, 2005). Die in dieser Phase erworbenen Bewältigungskompetenzen zeigen zudem einen Einfluss auf den Erwerb bzw. die Entwicklung von Schutzfaktoren zu einem späteren Zeitpunkt.

Insgesamt betrachtet hat die Qualität der Familienbeziehungen einen hohen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden ihrer Mitglieder und kann eine wichtige unterstützende Rolle spielen, wenn es um die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben in der vulnerablen Phase des Jugendalters geht. Familie zeigt somit einen entscheidenden Einfluss auf die Herstellung, Erhaltung und Förderung von Wohlbefinden und Gesundheit ihrer Mitglieder.

Peers

Die Peers (Gleichaltrige) spielen im Jugendalter in der Zeit der Verselbständigung und Ablösung von der Familie eine besondere Rolle. Sie bilden eine wichtige Bezugsgruppe, die ein Übungsfeld für soziale Interaktionen und Gruppenzugehörigkeit bietet, emotionale Geborgenheit vermittelt, einen Ort, an dem Anerkennung und Status erworben und eine Orientierung an Normen und Werten außerhalb der Familie stattfinden kann (Schenk-Danzinger, 1993). Für 97 % der befragten Jugendlichen in der Shell Studie (2019) bilden gute Freunde den wichtigsten Wert in ihrem Leben.

Freundschaften sind im Jugendalter also von hoher Bedeutung, sie lösen die Eltern als Freizeitpartner ab und werden neben der Familie zu Vertrauenspersonen und wichtigen Kommunikations- und Interaktionspartnern. Hier können Fähigkeiten gelernt, ausprobiert und erweitert und Agency gestärkt werden.

Gleichaltrigengruppen können somit eine Reihe von Schutzfaktoren bereitstellen, u.a. soziale Unterstützung, soziale Kompetenz-, Identitäts- und Selbstkonzeptförderung. Sie können einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden nehmen (Meeus et al., 1999) und in der Regel die Bewältigung von Belastungen erleichtern bzw. deren negative Folgen vermindern. Die Peers können ebenso wie die Familie Einfluss auf das Wohlbefinden ausüben und damit zu Schutzfaktoren oder aber auch in Abhängigkeit von ihrer Werteorientierung zu Risikofaktoren werden.

Ob Peers letztendlich protektiv (u. a. emotionale Geborgenheit, Ansprechpartner) oder risikobegünstigend (u.a. Alkoholkonsum, Ernährungs- und Bewegungsverhalten) auf Jugendliche Einfluss nehmen, hängt entscheidend von ihrem Wertesystem, ihrem Handlungsrepertoire und deren Bewertung und Bedeutung für den Jugendlichen ab.