5. Was Jugendliche für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit tun oder nicht tun

5.2.3. Substanzkonsum bei Jugendlichen

Der Konsum von Alkohol, Tabak und anderen psychoaktiven Substanzen kann einen starken negativen Einfluss auf die Gesundheit von Jugendlichen haben. Alkohol- und Tabakkonsum sind Risikofaktoren für zahlreiche Krankheiten und Gesundheitsprobleme (Anderson et al., 2012; Forouzanfar et al., 2016; Inchley et al., 2018; WHO, 2012). Diese Verhaltensweisen werden meist im Jugendalter ausprobiert und können Auswirkungen bis ins späte Erwachsenenalter haben (Richter, 2005). Vor allem Jugendliche verbinden mit dem Substanzkonsum jedoch auch positive Auswirkungen, die ihr subjektives Wohlbefinden steigern (siehe Kapitel 5.3) (Nitzko & Seiffge-Krenke, 2009). Am Anfang des Kapitels wird das Handeln der Jugendlichen in Bezug auf Alkohol, Tabak und Cannabis überblicksartig dargestellt. Anschließend werden die Motive und Ursachen der Jugendlichen für Alkohol- und Tabakkonsum analysiert.

Der Konsum von Alkohol

Die Adoleszenz als Phase des Übergangs von der Kindheit zum Erwachsenenalter, ist durch eine erhöhte Risikobereitschaft gekennzeichnet. Das Experimentieren mit Alkohol gehört für viele Jugendliche zum Übergang in das Erwachsenenleben (Raithel, 2010). Die Gesundheitsgefahren des Alkoholkonsums sind aufgrund der weltweiten Verbreitung dieser legalen Droge gut erforscht. Alkoholkonsum kann zu psychischen Problemen wie Suchtverhalten führen sowie soziale Probleme verursachen oder verschärfen, indem etwa die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt gesenkt wird. Alkohol beeinträchtigt zudem die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, wodurch die Gefahr von Unfällen und Verletzungen erhöht wird (Anderson et al., 2012). Ein besonderer Aspekt bei Jugendlichen ist, dass sich Alkoholkonsum und schulische Probleme gegenseitig verstärken können (Wang & Fredricks, 2014). Alkohol kann darüber hinaus zu ungeplantem und in der Folge riskantem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr führen (Lavikainen et al., 2009). Gefährlich kann der Konsum insbesondere dann sein, wenn die Jugendlichen früh damit beginnen sowie häufig und in großen Mengen Alkohol trinken (Inchley et al., 2020).

In der Gesamtgruppe der 13- bis 29-Jährigen geben 64,0 % an, in den vergangenen 30 Tagen Alkohol getrunken zu haben (siehe Abbildung 25). Dabei werden Unterschiede nach Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund und sozioökonomischem Status deutlich. Während nur 14,5 % der Jugendlichen im Alter von 13 bis 14 Jahren angeben, Alkohol getrunken zu haben, liegt dieser Anteil in der Altersgruppe der 24- bis 26-Jährigen bei 80,3 %. Der Anteil junger Erwachsener, die in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken haben, steigt bis zum Alter von 25 Jahren an, um sich dann zu stabilisieren. Der Anteil der Alkoholkonsumenten ist bei männlichen Jugendlichen, Jugendlichen mit mittlerem oder hohem sozioökonomischem Status und bei Personen ohne Migrationshintergrund höher als bei weiblichen Jugendlichen, Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischem Status und Personen mit einem Migrationshintergrund.

Etwa 19 % der Jugendlichen geben an, in den letzten 30 Tagen betrunken gewesen zu sein. 12,2 % waren ein Mal in den letzten 30 Tagen betrunken, 4,9 % zwei bis drei Mal und 2,1 % mehr als vier Mal. Der Anteil der Mädchen und Frauen ist hierbei geringer als jener der Jungen und Männer.

Wenngleich insgesamt ein großer Teil der Jugendlichen Alkohol konsumiert, so kann zumindest für die jüngeren Jugendlichen in den vergangenen Jahren ein Rückgang des Alkoholkonsums festgetellt werden.

Dieser Trend zeigt sich in Luxemburg aber auch in vielen anderen Ländern. Im HBSC-Trendbericht (Heinz, van Duin, et al., 2020) konnte festgestellt werden, dass in Luxemburg der Anteil der befragten Jugendlichen (13- bis 18-Jährigen), die in den vergangenen 30 Tagen Alkohol konsumiert haben, von 45 % im Jahr 2006 auf 29 % im Jahr 2018 gefallen ist. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Befragten, die noch nie betrunken waren von 66 % auf 78 % an.

Der Konsum von Tabak

Tabakkonsum ist in vielen Ländern die vermeidbare Todesursache Nummer eins, da Raucher unter anderem ein erhöhtes Risiko haben an einem Schlaganfall oder an Lungenkrebs zu sterben (WHO, 2012). Rauchen kann Krankheiten verursachen oder verschlimmern und ist daher nach dem Bluthochdruck für die weltweit zweit- höchsten DALYs (disability-adjusted life years – verlorene gesunde Lebensjahre) verantwortlich (Forouzanfar et al., 2016).

Der Zigarettenkonsum von Jugendlichen hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen (Inchley et al., 2018; Reitsma et al., 2017). Für Luxemburg konnte im Rahmen des HBSC-Trendberichts (Heinz, van Duin, et al., 2020) ebenfalls ein Rückgang des Tabakkonsums der 13- bis 18-Jährigen erfasst werden. Der Anteil der Jugendlichen, die noch nie geraucht haben, stieg von 2006 bis 2018 von 55 % auf 78 %. Der Anteil jener Jugendlichen, die in den letzten 30 Tagen geraucht haben, sank im gleichen Zeitraum von 23 % (2006) auf 13 % (2018).

Betrachtet man die gesamte Altersspanne von 13 bis 29 Jahren, so geben 23,4 % der Jugendlichen an, in den letzten 30 Tagen geraucht zu haben. 9,7 % geben an, täglich geraucht zu haben, und gelten daher als Raucher. Der Anteil der Raucher ist etwas höher unter den Jungen und Männern als unter den Mädchen und Frauen, steigt mit dem Alter an und sinkt mit steigendem sozioökonomischem Status.

Der Konsum von Cannabis

Cannabis wird als die weltweit am häufigsten konsumierte illegale Substanz beschrieben. Der Konsum von Cannabis und besonders der frühe, hoch dosierte und regelmäßige Cannabiskonsum kann u. a. das Risiko für psychische Erkrankungen (Hoch et al., 2015), soziale Prob- leme und den Konsum anderer Drogen erhöhen (Silins et al., 2014). Als besonders schädlich gilt der Cannabiskonsum, wenn er früh in der Jugend beginnt, hoch dosiert ist und regelmäßig fortgesetzt wird (Hoch et al., 2015).

Die 15- bis 29-jährigen Teilnehmer des YSL und der HBSC-Studie wurden zu ihrem Cannabiskonsum befragt. Von den Jugendlichen geben 12,2 % an, in den letzten 30 Tagen Cannabis konsumiert zu haben. Während knapp die Hälfte von ihnen einen ein- bis zweimaligen Cannabiskonsum berichtet, ist bei etwa einem Drittel dieser Jugendlichen von einem regelmäßigen Cannabiskonsum (täglich oder mehrmals wöchentlich) auszugehen. Jungen und Männer sind häufiger Konsumenten von Cannabis als Mädchen und Frauen. Der Anteil der Cannabiskonsumenten ist am niedrigsten bei Personen mit mittlerem sozioökonomischem Status und am höchsten bei Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status. Der Anteil der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, steigt von 11,8 % bei den 15- bis 17-Jährigen bis zu einem Anteil von 15,7 % bei den 21- bis 23-Jährigen an, um danach wieder auf einen Anteil von 7,7 % bei den 27- bis 29-Jährigen zu fallen (siehe Abbildung 26).

Der Cannabiskonsum hat sich in den vergangenen Jahren in einzelnen Altersgruppen teilweise verändert. Im HBSC-Trendbericht konnte festgestellt werden, dass Cannabiskonsum bei den 15-jährigen Befragten zwischen 2006 und 2018 rückläufig war, bei den 17- bis 18-jährigen Jugendlichen jedoch anstieg (Heinz, van Duin, et al., 2020).

Motive und Ursachen von Alkohol- und Tabakkonsum der Jugendlichen

In der qualitativen Befragung konnten Motive und Ursachen für Cannabiskonsum nicht herausgearbeitet werden, da ein entsprechender Konsum von den Jugendlichen in den Interviews nicht angesprochen wurde. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Hinweisen auf Motive für Alkohol- und Tabakkonsum. Alkohol- und Tabakkonsum von Jugendlichen findet zum überwiegenden Teil in Gesellschaft von Freunden statt und kann mit Motiven wie Anerkennung, soziale Akzeptanz und die Schaffung eines Zugehörigkeitsgefühls zusammenhängen. Die Peergruppe bietet einen Raum, in dem Erfahrungen mit Alkohol gesammelt und diese für die Erwachsenenwelt typische Verhaltensweisen ausgetestet werden können. Allerdings sind auch der familiäre Kontext und die Vorbildfunktionen von Erwachsenen für das Konsumverhalten von Jugendlichen von großer Bedeutung (Biewers-Grimm & Joachim, 2016; Raithel, 2010).

Neugierde als Auslöser für den ersten Alkohol- und Tabakkonsum

Besonders für den erstmaligen Alkohol- oder Tabakkonsum im frühen Jugendalter beschreiben Jugendliche Neugierde und das Verlangen, etwas Neues auszuprobieren, als zentrale Motive. In der Adoleszenz werden Individuen mit verschiedenen Verhaltensweisen konfrontiert, die in erster Linie Erwachsenen vorbehalten sind. Dazu zählen auch Alkohol- und Tabakkonsum. Sie testen diese Verhal- tensweisen aus, handeln ihre persönliche Einstellung dazu aus und bilden sich eine eigene Meinung. Die 18-jährige Tanja erzählt, dass sie mit ihren Freundinnen Zigaretten probierte, sie jedoch nicht zu Raucherinnen wurden.

„Ech hunn eng Kéier probéiert mat menge Frëndinnen, awer ech fëmme net an si och net, duerfir. Et war jo jiddereen: ‚Okay, mir mussen dat probéieren‘, awer soss, nee, et ass einfach näischt fir eis.

(Tanja, 18 Jahre, 36:32)

Einige Jugendliche erzählen, dass sie mit dem ersten Alkoholkonsum ihre eigenen Grenzen ausgetestet und experimentiert haben. Steve beschreibt seine früheren Alkoholexzesse als eine Phase des Experimentierens, die er durchlaufen habe.

„Natierlech, déi éischt Joren, sou 18 bis 19, dat war sou Experiment-Phas. Dann ass een da freides erausgaangen, an da war ech och esou en Kandidat, dee gemengt huet: ‚Shot, Shot, Shot. Cocktail hei, Cocktail do.‘ An nächste Mueren lung ech dann iergendwou, wou ech net wousst: ‚Wéi sinn ech dohi komm? Wéini sinn ech dohi komm?‘ An esou weider. Mee dat war eng Phas, einfach dat éischt Joer, wou ech Accès hat zu Alkohol, an dono, hat ech guer net méi d’Verlaangen.

(Steve, 21 Jahre, 66:25)

Der Einfluss des sozialen Umfelds auf das Konsumverhalten von Alkohol und Tabak

Peers und Freunde haben nach Einschätzung der Jugendlichen den größten Einfluss auf ihren Alkohol- und Tabakkonsum. Jugendliche suchen aktiv die Gesellschaft ihrer Freunde und Bekannten, um sich wohlzufühlen. Ein Teil von ihnen trinkt dabei Alkohol oder raucht. Sie erzählen, dass sie gerne mit Freunden etwas trinken gehen, wobei dem sozialen Aspekt mehr Bedeutung geschenkt wird als dem Alkoholkonsum. Die 28-jährige Myriam merkt an, dass ihr das Zusammensein mit ihren Freunden guttut, gleichzeitig jedoch gesundheitsschädigende Verhaltensweisen fördert.

„Wann ech mat hinne sinn, wann ech Zäit mat hinne verbréngen, da sinn ech frou a glécklech, an hei an do, mee si deelen awer och déi Säit, wou lo d’Gesondheet heiansdo eben hannen ugestallt gëtt, jo. Mam Alkohol an alles, mer drénken och ze vill, mer missten, also lo, ech drénke vill manner, mee et ass net wéi wann ech soss ëmmer mega vill gedronk hätt, mee weekends awer sou, weess de wann een eraus geet.

(Myriam, 28 Jahre, 1:12)

Das Rauchverhalten der Jugendlichen ist ebenfalls eng verknüpft mit den Peers. Bei den meisten befragten Rauchern und Gelegenheitsrauchern wird deutlich, dass sie vor allem in Gesellschaft von Freunden zur Zigarette greifen und bei diesen Gelegenheiten mehr rauchen als wenn sie alleine sind. Interessant ist hierbei der Ausdruck „Eine mitrauchen“. Dies macht deutlich, dass Jugendliche dann rauchen, wenn andere das auch tun, wodurch das Rauchen eine soziale Konnotation erhält. Darüber hinaus beschreiben viele der Befragten ihren Freundeskreis als Einflussfaktor bei der Entscheidung, mit dem Rauchen anzufangen. Einige nennen Gruppenzwang oder die Suche nach Anerkennung und sozialer Integration als Gründe, wieso sie anfingen zu rauchen. So erzählt auch John, dass er aufgrund von Gruppendynamiken mit dem Rauchen angefangen hat.

„Jo vun, also ech géif emol soen, dass bei mir, wéi bei jidderengem alt, wéinst Gruppenzwang sou ass. An deem Genre: ‚Déi aner waren och sou, da wollts du och sou ginn alt.‘ Iergendwann konnt een net méi ophalen an hat een de Misär.

(John, 19 Jahre, 38:6)

Es lassen sich jedoch nicht alle Befragte von ihrem sozialen Umfeld beeinflussen und einige Jugendliche betonen, dass sie sich bewusst gegen Verhaltensweisen entscheiden, die ihnen von ihrem Umfeld vorgelebt werden. Besonders wenn die Jugendlichen in Form von Krankheiten oder Todesfällen in ihrer Familie die negativen Auswirkungen von Alkohol- oder Tabakkonsum miterlebten, vertreten sie oftmals die Einstellung sich nicht von ihrem Umfeld beeinflussen zu lassen. Unter den Befragten gibt es auch Jugendliche, die über den Alkohol- und Tabakkonsum ihrer Freunde berichten und sich gleichzeitig von diesen Verhaltensweisen distanzieren. Sie machen somit deutlich, dass sie sich nicht von ihren Peers beeinflussen lassen. Teilweise wird der übermäßige Alkoholkonsum der Peers als nicht nachvollziehbar und unnötig dargestellt.

Entspannung als Motiv für das Rauchen

Stress ist ein zentraler Einflussfaktor auf den Tabakkonsum der Jugendlichen. Viele der befragten Raucher beschreiben einen direkten Zusammenhang zwischen ihrem Stressempfinden und ihrem Rauchverhalten. Situationen, in denen sie sich gestresst und unter Druck gesetzt fühlen, so wie v.a. Schulstress wird von mehreren Befragten als konkreter Auslöser für das Rauchen identifiziert. Marvin sieht im Schulstress einen Hauptgrund dafür, dass er wieder raucht.

„Also ech hat ëmmer sou an Ofstänn, ech hat eng Kéier ugefaangen, opgehalen an elo wéinst der Schoul, Stress hat ech erëm ugefaangen. Jo also, elo säit dem Januar hat ech erëm ugefaangen.

(Marvin, 18 Jahre, 56:8)

Auch Erwerbstätige nennen Stress als großen Einflussfaktor auf ihr Rauchverhalten. Im stressigen Arbeitsalltag eine kurze Ruhephase zu haben und abschalten zu können wird von einigen als Grund genannt, wieso sie Zigaretten rauchen. „Raucherpausen“ werden vereinzelt als Möglichkeit betrachtet, sich kurz entspannen zu können. In diesem Kapitel wurden die Motive für Tabak- und Alkoholkonsum aus Sicht der Jugendlichen herausgearbeitet, die sich in erster Linie auf das soziale Umfeld beziehen sowie Neugierde und Entspannung umfassen. Die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den negativen Auswirkungen ihres Rauchverhaltens und Alkoholkonsums wird in Kapitel 6.3 thematisiert.