6. Welche Bedeutung das soziale Umfeld für das Wohlbefinden der Jugendlichen hat: Familie, Freunde, Schule und weitere Lebensbereiche

6.4. Die Bedeutung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und Entwicklungen für das subjektive Wohlbefinden

Worum es hier geht

Für die Gesundheit und das Wohlbefinden junger Menschen spielt auch eine Rolle, in welchem Land sie aufwachsen. Den Einfluss der daraus resultierenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf das Wohlbefinden Heranwachsender beleuchten wir in diesem Kapitel: Wer in Luxemburg geboren ist, hat grundsätzlich bessere Startchancen, als ein Kind aus einem weniger wohlhabenden Land. Jugendliche in Luxemburg nehmen diese gesellschaftlichen und staatlichen Rahmenbedingungen aufmerksam wahr. Die meisten von ihnen wissen es sehr zu schätzen, dass sie im Großherzogtum leben. Ihnen ist bewusst, dass es ihnen wirtschaftlich besser geht als ihren Gleichaltrigen in den meisten anderen Ländern. Sie haben Vertrauen in die Demokratie, den Wohlfahrtsstaat, den Rechtsstaat und seine Institutionen. Allerdings: Umweltprobleme, die Verkehrssituation, die Klimafrage sowie insbesondere die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt wirken belastend auf junge Menschen – und haben damit negativen Einfluss auf das Wohlbefinden.

Aus dem Jugendbericht

Strukturelle, gesamtgesellschaftliche Bedingungen auf einer Makroebene können Einfluss auf die Entwicklung von Wohlbefinden und Gesundheit der Jugendlichen nehmen. Wohlfahrtsstaaten mit einem umfassenden Gesundheits- und Versicherungssystem, demokratischen politischen Institutionen und einer prosperierenden Ökonomie verfügen über bessere Voraussetzungen für das Wohlbefinden junger Menschen als Staaten, in denen diese äußeren Bedingungen nicht oder nicht in gleichem Umfang vorhanden sind. Wie im Kapitel 3 aufgezeigt wurde, stellen sich die Lebensbedingungen in Luxemburg für Jugendliche vergleichsweise positiv dar.

Im Folgenden wird gezeigt, wie Jugendliche die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Luxemburg einschätzen und inwieweit sich diese Bedingungen als eine Ressource oder eine Belastung für ihr Wohlbefinden darstellen.

Hohes Vertrauen in luxemburgische Institutionen, die Demokratie und den Rechtsstaat

Das Vertrauen in nationale Institutionen und in den Rechtsstaat ist im Vergleich zum EU-Durchschnitt bei den 18- bis 34-Jährigen in Luxemburg stark ausgeprägt. Das nationale Parlament, die Polizei, die Justiz, die Nachrichtenmedien, die Regierung, die Kommunal- und Stadtverwaltung, die Banken und auch humanitäre oder Wohltätigkeitsorganisationen zeigen die höchsten Vertrauenswerte. Zudem ist die Zufriedenheit mit der Demokratie und mit der wirtschaftlichen Situation im Vergleich mit dem EU-Durchschnitt in Luxemburg am höchsten (Eurofound, 2016).

Auch in den qualitativen Interviews nehmen die Jugendlichen auf die strukturellen Bedingungen in Luxemburg als zentrale Aspekte ihres subjektiven Wohlbefindens Bezug. Ein wichtiges Thema in dem Zusammenhang ist der luxemburgische Rechtsstaat, der Sicherheit gewährleistet, Menschenrechte respektiert und die Bevölkerung durch Gesetze schützt. Ein junger Erwachsener beschreibt die Rechtssicherheit und das Angebot an Strukturen für Kinder in Luxemburg, die zu mehr Lebenschancen führen.

„Dat heescht, wann zum Beispill eppes schif leeft mat der Schoul oder mat der Aarbecht oder […] geschitt mir iergendeppes op der Strooss, ech weess, dass do Gesetzer do sinn, Mënschenrechter gi respektéiert. D‘ass Wuelfillen, also hei am Land si mer geschützt mat Gesetzer. Vun jo, all déi Saachen, déi mer geschéien, dat heescht et ginn déck vill Institutiounen, och fir kléng Kanner, dat heescht et gëtt eppes fir jiddereen do am Fong.

(Mohammed, 24 Jahre, 11:92)

Einige Jugendliche heben die persönliche Freiheit hervor, die ihnen der luxemburgische Staat ermöglicht. Yves, ein 14-jähriger Befragter schildert, dass Menschen in Luxemburg das Recht haben, so zu leben, wie sie möchten, etwa in Bezug auf die sexuelle Orientierung, ohne Angst haben zu müssen, verfolgt, eingesperrt oder umgebracht zu werden.

„Zum Beispill a Länner däerf ee mol net, da kéint ee villäicht am Prisong oder dout gemaach. Also ech fannen dat guer net ok, all Mënsch däerf wielen, wat en wëll sinn oder dat, wat en wëll ginn, oder sou weider, ech fannen dat guer net ok, dass een einfach sou seet: ‚Ja, du bass homosexuell, du däerfs net sinn an da gëss du dout gemaach‘, ne. […] Mee bon ech weess, dass et hei an der EU, also Europa, sou Saachen net gi ‚Gott sei Dank‘.

(Yves, 14 Jahre, 50:43)

Andere Befragte verweisen auf die hohe öffentliche Sicherheit an ihrem Wohnort im Vergleich zu anderen Ländern. Für ihr subjektives Wohlbefinden ist es wichtig, dass sie im öffentlichen Raum keine Angst haben und sich frei bewegen können.

Gesundheitliche Versorgung und hoher materieller Wohlstand

Es zeigt sich, dass Jugendliche auch das luxemburgische Gesundheitssystem positiv wahrnehmen. Sie betonen den hohen medizinischen Standard, der in Luxemburg herrscht und dessen Niveau in vielen anderen Ländern nicht erreicht werde. Im Falle von Krankheiten immer die Möglichkeit zu haben, einen Arzt aufzusuchen und Medi- kamente zu bekommen, sehen Jugendliche als wichtigen Vorteil im Vergleich zu anderen Nationen an.

„Et ass Caisse de maladie do, dat heescht mir si verséchert, net wéi an den USA. Verschidde Leit an den USA, si kréie mol net déi Medikamenter oder si kënne mol net bei den Dokter goen, well si net verséchert sinn.

(Mohammed, 24 Jahre, 11:13)

Viele sind sich auch bewusst, dass in Luxemburg ein hoher materieller Wohlstand herrscht und sie finanziell besser aufgestellt sind als Menschen in anderen Ländern. Sie haben nicht nur Zugang zu lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln oder Medikamenten, sondern auch zu technischen Luxusgütern wie Handys oder Computer. In diesem Zusammenhang nennen einige die guten Arbeitsbedingungen in Luxemburg, etwa das vergleichsweise hohe Einkommen oder das Anrecht auf Urlaub und Freizeit. Liam, ein 25-Jähriger mit Migrationshintergrund, verweist auf die Situation in seinem Heimatland, wo die Bevölkerung diese Möglichkeiten nicht habe.

„Si schaffe jo dobaussen an der Hëtzt an sou Saachen. An da kënnen si och net all Dag an en Restaurant iesse goen sou, jo, sou. […] Wat fir en Verglach nach? Datt si net esou vill Fräizäit hunn wéi mir, dat mir, soen ech mol, aacht Stonne schaffen an da gi mer jo heem. An si schaffen einfach duerch, bis eben déi Aufgab, wat si lo haut maachen, fäerdeg ass, an da gi si eréischt heem.

(Liam, 25 Jahre, 53:49)

Der hohe materielle Wohlstand und eine gute Gesundheitsversorgung in Luxemburg werden von den Jugendlichen häufig als wichtige Grundlage für das Wohlbefinden genannt.

Umweltprobleme, hohe Wohnkosten und Verkehrsproblematik

Neben den positiven strukturellen Bedingungen thematisieren die befragten Jugendlichen spezifische Belastungen etwa in Bezug auf die Wohnungsmarktsituation, die Verkehrsproblematik in Luxemburg oder Umweltprobleme.

Besonders Umweltprobleme beeinträchtigen das Wohlbefinden von Jugendlichen. Die Daten des YSL 2019 zeigen, dass „Umweltverschmutzung“ und „Klimawandel“ vielen Jugendlichen Angst machen. 87,7 % der Jugendlichen haben Angst vor Umweltverschmutzung und 83,5 % haben Angst vor dem Klimawandel. Damit liegen diese Themen an erster bzw. zweiter Stelle jener Dinge, die Jugendlichen Angst machen. Jugendliche verweisen auch in den Interviews auf globale Entwicklungen und drücken ihre Sorge um die Zukunft aus. Laura, eine 21-jährige Befragte, spricht ihre Zukunftsängste an und bezieht dies auf Entwicklungen, welche die Umwelt betreffen. Sie äußert in erster Linie Bedenken über mögliche zukünftige Umweltkatastrophen.

„Well, ech hunn e bëssen Angscht virun der Zukunft. Also net vum Alginn, mee einfach, well ech net weess, wou d’Zukunft wäert higoen, wéi déi elo wäert ausgesinn. Also, vu mir aus, wéi eng Choix ech wäert maachen, mee och vun der Ëmwelt am Allgemengen. Och, op elo nach méi Ëmweltkatastrophe wäerte kommen oder net.

(Laura, 21 Jahre, 18:10)

Die Jugendlichen drücken ihre Sorgen bezüglich Umweltverschmutzung, Klimawandel oder Artensterben aus. Viele Jugendliche äußern, dass sie gerne in der Natur sind und traurig sind, dass die Umwelt zerstört oder verschmutzt wird. Mohammed gibt an, dass er noch so lange wie möglich versucht von der Natur zu profitieren, denn seine Generation könnte die letzte sein, die diese Chance haben wird.

„Also Natur ass wichteg, well mir verléiere leider Natur, dat, dofir sinn ech nämlech traureg, ech probéieren dovun ze profitéieren. Vläicht sinn ech ee vu deene leschte Generatiounen, déi wäerte lo wierklech dovunner profitéieren. Vläicht. Dat, ‘t ass traureg.

(Mohammed, 24 Jahre, 11:71)

Darüber hinaus werden unangemessene politische Entscheidungen angesprochen, die für den Schutz vor dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung unzureichend seien.

Betreffend die Wohnungsmarktsituation in Luxemburg sprechen Jugendliche die steigenden Wohnkosten an, die ihnen Sorgen bereiten. Die Finanzierung von Wohneigentum sehen die Befragten als eine Schwierigkeit, besonders dann, wenn sie als Berufsanfänger noch keine hohen Gehälter beziehen. Aus diesem Grund machen sich viele Jugendliche Sorgen, wenn sie an ihre Zukunft denken. Die Jugendlichen berichten davon, dass junge Erwachsene teilweise noch mit Ende 20 bei ihren Eltern wohnen, da sie sich keine eigene Wohnung leisten können.

Weiterhin berichten Jugendliche von Verkehrsproblemen in Luxemburg, wie Stau und lange Fahrtzeiten, die Auslöser für Stress und Unzufriedenheit sind. Im Zusammenhang mit den Verkehrsproblemen sprechen Jugendliche auch die Angebote der öffentlichen Verkehrsmittel an. Jene Jugendliche, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, klagen über die zum Teil schlechten Bus- und Zugverbindungen in Luxemburg und vor allem die lange Fahrzeit, die sie mit diesen Verkehrsmitteln benötigen.

„Lëtzebuerg ass kléng, mee mat der Mobilitéit ass dat wierklech net einfach fir vun A op B ze kommen sou. An dann hues de awer och déck Stress, wann ee moies um siwen Auer muss zu [ORT] stoen an, ech weess net, sou Saache maachen awer Stress.

(Lara, 17 Jahre, 12:50)

Sie fühlen sich durch den täglich Fahrtweg, den sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen müssen, gestresst. Besonders wenn Bus oder Bahn Verspätung haben und sich die Fahrt weiter verlängert als geplant, kann sich dies negativ auf ihr Wohlbefinden auswirken.