7.2. Die Perspektive der Jugendlichen auf die Covid-19-Pandemie
Im Frühjahr 2020 haben sich viele Jugendliche große Sorgen wegen der Covid-19-Pandemie gemacht. Wie sie das Auftreten der Pandemie erlebt haben und welche Einstellungen sie dazu entwickelt haben, beschreiben wir in diesem Abschnitt. Wie überall herrschte bei den Heranwachsenden Unsicherheit, wie sich das Leben mit den vielen Einschränkungen, die plötzlich notwendig waren, weiterentwickeln würde. Unsere Umfragen zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Jugendlichen deshalb besorgt oder sogar sehr besorgt war. Dabei hatten die meisten gar nicht so große Angst vor der Corona-Krankheit selbst. Viele Jugendliche gingen sogar davon aus, dass sie sich im Laufe der Zeit mit dem Virus anstecken würden – aber dass sie die Krankheit nicht so schlimm treffen würde. Doch es gibt ja viele Menschen, die empfindlicher sind: Chronisch Kranke oder Ältere wie zum Beispiel die Großeltern. Oft fürchteten Jugendliche, solche Personen anstecken zu können. Und deshalb haben sie die Vorschriften auch sorgfältig befolgt: Zuhause bleiben, Abstand halten, Hände waschen, Maske tragen. Da haben wir bei Jugendlichen großes Pflichtbewusstsein und Solidarität festgestellt.
In der qualitativen Befragung erläutern die Jugendlichen, wie sie den Beginn der Covid-19-Pandemie erlebten und wie sich dies über die Zeit des ersten Confinements (bis hin zum ersten Deconfinement) im Sommer 2020 veränderte.
Die Jugendlichen beschreiben, dass sie sich vor allem zu Beginn der Pandemie große Sorgen machten. Durch die persönlichen Einschränkungen als Folge der Maßnahmen wurde ihnen der Einfluss des Virus auf die Gesellschaft sowie auf ihr eigenes Leben bewusst. Durch die Ungewissheit im Umgang mit Covid-19 hatten viele Jugendliche zunächst Angst und waren verunsichert. Sie beschreiben aber auch, dass sie mit zunehmender Dauer der Pandemie die Situation akzeptierten und ihre Sorgen nachließen, als die Infektionszahlen zurückgingen. Einige Jugendliche führen dies darauf zurück, dass Covid-19 nun besser eingeschätzt werden könne als zu Beginn der Pandemie und dass hilfreiche Maßnahmen ergriffen werden können, um sich und andere vor einer Erkrankung zu schützen. Der Student Pit ist der Meinung, dass man versuchen sollte mit dem Virus zu leben.
„Mee iergendwéi ass et, sou krass wéi et ass, schonn Normalitéit ginn. An ech si souwisou der Meenung, dass mir eis mussen domadder…, einfach kloer sinn, dass mir musse probéieren, domadder ze liewen.“
(Pit, 23 Jahre, 16:10)
Dennoch war für die meisten Jugendlichen das Virus auch nach der ersten Welle allgegenwärtig und mit steigenden Infektionszahlen wurde auch ihre Besorgnis wieder größer. Das Einhalten der Maßnahmen trug zu einem Sicherheitsgefühl bei. Dennoch äußerten sich die Jugendlichen im Sommer 2020 bereits besorgt darüber, dass das erste Deconfinement aufgehoben werden und eine zweite Infektionswelle restriktivere Maßnahmen mit sich bringen könnte. Diese Unsicherheit in Bezug auf die zukünftigen Entwicklungen beschreibt auch die 22-jährige Studentin Monique.
„Am Fong, am Ufank hat ech wierklech Angscht virdrun, well een ëmmer am Ongewëssen ass, an am Ufank wosst een och nach selwer net, wéi een drop reagéiert an sou. Well et och bei all Mënsch anescht ass, sech anescht developpéiert. An dunn war eng Zäit laang wärend dem Confinement, wou ech am Fong guer net méi doriwwer nogeduecht hunn. Wou […] ech elo net esou Angscht hat. An elo, wou d’Zuelen awer erëm erop ginn, gëtt mir awer erëm mulmeg dobäi.“
(Monique, 22 Jahre, 10:7)
Ein Großteil der Jugendlichen argumentiert, dass sie keine Angst vor einer Infektion mit dem Virus haben, sich jedoch Sorgen machen, Träger des Virus zu sein und andere Menschen, die zu Risikogruppen gehören, anstecken könnten. Dies erläutert auch Gérard.
„Ma crainte elle n’est pas vraiment située envers moi, mais plutôt envers les personnes qui sont plutôt sujettes à être plus fragile au Covid-19. Donc j’ai peur en fait de les contaminer, mais indirectement.“
(Gérard, 27 Jahre, 22:6)
Aus der SINUS-Studie in Deutschland geht hervor, dass sich die befragten Jugendlichen eher um die Infektion älterer Familienmitglieder und Risikogruppen sorgen als um sich selbst (Calmbach et al., 2020). Der Covid Kids Studie (Kirsch et al., 2020) zufolge gab rund ein Drittel der befragten 6- bis 16-Jährigen an, dass sie oft oder sehr oft besorgt darüber seien, dass sie oder jemand, der ihnen nahesteht, an Covid-19 erkranken könnte. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen außerdem, dass diese Sorge häufiger bei luxemburgischen Befragten vorkam als bei Befragten desselben Surveys in Deutschland, der Schweiz oder Brasilien.
Das Ausmaß der Besorgnis über die Covid-19-Pandemie wurde auch in der YAC-Befragung erhoben und ist in Abbildung 33 dargestellt: Fast die Hälfte der Jugendlichen (44,8 %) ist über Covid-19 und die damit verbundenen Veränderungen ziemlich besorgt und 9,6 % sind sogar sehr besorgt. 17,8 % sind nicht sehr besorgt und 4,2 % sind gar nicht besorgt. Männer sind weniger besorgt als Frauen. Jugendliche der jüngsten Alterskategorie (12 bis 15 Jahre) geben häufiger an, nicht sehr oder gar nicht besorgt zu sein, als die Jugendlichen der ältesten Alterskategorie (26 bis 29 Jahre). Hingegen geben Jugendliche der ältesten Alterskategorie (26 bis 29 Jahre) häufiger an als Jugendliche der jüngsten Alterskategorie (12 bis 15 Jahre), dass sie sehr besorgt oder ziemlich besorgt sind. Zudem sind Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger besorgt als Jugendliche ohne Migrationshintergrund.