9.6. Der Blick luxemburgischer Experten auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen
Experten unterschiedlicher fachlicher Disziplinen und aus verschiedenen luxemburgischen Handlungsfeldern bieten eine zusätzliche Perspektive auf Gesundheit und Wohlbefinden von Jugendlichen, die sich von der Perspektive der Jugendlichen in einigen Punkten deutlich unterscheidet. Grundsätzlich betrachten die Experten das Wohlbefinden und die Gesundheit der Jugendlichen meist als Resultat gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und Entwicklungen einerseits und der individuellen Ressourcen der Jugendlichen anderseits.
Außer auf spezifische Themen wie Ernährung und Bewegung sowie das jugendtypische Risikoverhalten beziehen sich die aktuellen Expertendiskurse vor allem auf Fragen zum adäquaten Umgang mit den gesundheitsbezogenen Problematiken der digitalen Mediennutzung sowie auf den Anstieg von psychischen Belastungen und Erkrankungen.
Die Diskurse unterscheiden sich bereichs-, disziplin- und funktionsbezogen. So werden gesundheitsbezogene Phänomene in der Kinder- und Jugendhilfe, der Jugendarbeit sowie im therapeutischen Bereich häufiger auf einer individuellen oder pädagogisch-fachlichen Ebene diskutiert, während sie in der Schule, der öffentlichen Verwaltung sowie in der Arbeitswelt häufiger in einer strukturell-administrativen Form wahrgenommen werden. So befasst sich der Gesundheitsdiskurs im Schulbereich tendenziell eher mit dem Wechselverhältnis zwischen schulischer Gesundheitsförderung und ihrer Begrenzung durch curriculare Vorgaben sowie den Möglichkeiten ganzheitlicher und schulklimabezogener Schulkonzepte, während sich der Diskurs in der Kinder- und Familienhilfe und der Jugendarbeit eher auf Fragen der individuellen Autonomieförderung sowie niedrigschwelliger Ansätze der Unterstützung und Bildung bezieht.
Quer durch alle Untersuchungsfelder wird der Diskurs über Wohlbefinden und Gesundheit geprägt durch einen Bedeutungsaufschwung ganzheitlicher und vernetzter Konzepte, orientiert an der subjektiven Bedürfnislage der Jugendlichen. Das Paradigma „Der Jugendliche im Mittelpunkt“ lässt sich sowohl an Schulkonzepten wie dem whole school approach und den neuen Strukturen und Angeboten der nonformalen Bildung in den Schulen als auch an den veränderten Diagnoseansätzen und Netzwerkstrategien der neuen Kompetenzzentren ablesen. Im Allgemeinen wird den Erfolgschancen der verschiedenen Aktionspläne zur Verhaltens- und Verhältnisprävention skeptisch begegnet. Bemängelt wird, dass die Zielgruppen zu wenig Resonanz erfahren und zu wenig mitgestalten können. Die vormals tendenziell paternalistische und auf den Schutz der Jugendlichen ausgerichtete professionelle Grundhaltung geht zunehmend über in eher partizipative, bedürfnisorientierte und befähigende Herangehensweisen, die den Ermöglichungsraum der Jugendlichen für die eigene (Mit-)Gestaltung gesundheitsbezogener Themen erweitern.
Festzustellen ist, dass in den verschiedenen Untersuchungsfeldern ein gemeinsames und umfassendes Verständnis von Wohlbefinden als körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden existiert, das häufig auf die Herstellung positiver und befähigender Strukturbedingungen ausgerichtet ist.