8. Wie Experten über das Wohlbefinden und die Gesundheit Jugendlicher diskutieren

8.4. Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Diskursanalyse haben ein breites Spektrum an Themen hervorgebracht, die zeigen, in welch weitreichender Form Aspekte von Gesundheit und Wohlbefinden die Diskurse in der luxemburgischen Gesellschaft und in den jugendrelevanten Strukturen prägen. Neben klassischen Aspekten wie körperliche Gesundheit, Ernährung und Bewegung sowie Fragen des Umgangs mit jugendtypischem Risikoverhalten wie etwa Drogenkonsum spielen hierbei zunehmend „moderne“ Themen eine Rolle, so etwa die kontroverse Auseinandersetzung mit den gesundheitsbezogenen Auswirkungen der Digitalisierung. Auch Fragen des Umgangs mit psychischen und sozialen Belastungen im Jugendalter sowie mit Leistungsdruck und Stress erfahren seit geraumer Zeit eine besondere Resonanz in den luxemburgischen Gesundheitsdiskursen.

In den vorliegenden Fachdiskursen wird der Anstieg von psychischen und sozialen Belastungen meist im Kontext ihrer gesellschaftlichen Ursachen diskutiert, jedoch auch mit Blick auf mögliche institutionelle Lösungsansätze. Diese Thematisierungen fokussieren vordergründig die strukturellen und organisationalen Rahmenbedingungen und Ressourcen, die notwendig erscheinen, damit allen Jugendlichen gleichermaßen die Chance auf ein gesundes Aufwachsen bereitgestellt werden kann. Die Interpretationen, welche Strukturen und Ressourcen hierzu förderlich sind, unterscheiden sich „natürlich“ durch den jeweils feldspezifischen Fokus, aber auch durch die jeweilige Funktionsebene, die betrachtet wird.

Diese Diskurse verdeutlichen, dass die gesundheitsbezogenen Strukturen und Ansätze in den Bereichen Schule, Jugendarbeit, Kinder- und Jugendhilfe und im Arbeitsbereich häufig Schnittstellen zueinander aufweisen und teilweise ineinander übergehen. Dies zeigt etwa der schulische Diskurs über eine bessere Integration von Kindern und Jugendlichen mit einem spezifischen sozialpädagogischen Förderbedarf, der mit einem stärker subjektbezogenen und therapeutischen Fokus auch im Feld der Kinder- und Jugendhilfe geführt wird.

Ein gemeinsamer inhaltlicher Bezugspunkt der Diskurspositionen spiegelt sich in einem spürbaren Trend hin zur Orientierung an Konzepten der Autonomieförderung und der Handlungsbefähigung junger Menschen. Der Bedeutungsaufschwung des Konzepts „Das Kind/der Jugendliche im Mittelpunkt“ steht für diese programmatische Entwicklung, die sich in allen Untersuchungsfeldern etabliert hat. Jugendliche werden mehr und mehr als individuelle und handlungsmächtige Akteure wahrgenommen, die subjektiven Lebensstrategien folgen und selbst an der Gestaltung ihres gesunden Lebens mitwirken können und sollen.

Diese Zentrierung des subjektiven Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen zeigt sich auch in der Ausrichtung der Förder- und Präventionskonzepte sowie der Bildungs-, Unterstützungs-, Hilfe- und Therapieansätze, die in den gegenwärtigen Diskursen über Gesundheit und Wohlbefinden thematisiert werden. Sie zielen darauf ab, die institutionellen Rahmenbedingungen für subjektbezogene Verwirklichungschancen (Capabilities) bereitzustellen, etwa in Form von Informationen, Unterstützungsangeboten oder kulturellen und sozialen Ressourcen. Dabei kommt besonders der Partizipation eine wichtige Rolle zu, ohne die eine nachhaltige Her- und Sicherstellung von Gesundheit und Wohlbefinden kaum möglich erscheint. Diese Erkenntnisse stehen im Einklang mit den Vorstellungen der Jugendlichen von einem eigenverantwortlichen Leben, in dem die Gestaltungsmöglichkeiten der subjektiven Ideen von Wohlbefinden und Gesundheit wichtig sind.

Während die Bereitstellung entsprechender Unterstützungsstrukturen und Ressourcen etwa im formalen Bildungsbereich an natürliche curriculare Grenzen stößt, wurden (auch über die aktuellen gesetzlichen Reformen) in den niedrigschwelligen Feldern der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie in der nonformalen Bildung die Weichen entsprechend gestellt.

Im Sinne ganzheitlicher und subjektzentrierter Förder- und Präventionsmaßnahmen setzen sich feldübergreifend vernetzte und kooperative Förder- und Unterstützungsstrukturen durch, die die Grenzen von traditionell getrennten Ebenen und Disziplinen überwinden sollen.