3.7. Rechtliche Rahmenbedingungen des Aufwachsens
Kinder und Jugendliche haben Rechte und Pflichten. Sie sind über die nationalen Gesetze sowie die Anerkennung der UN-Kinderrechtskonvention auch in Luxemburg festgelegt. Über diese Rechte und Pflichten geben wir hier einen Überblick. Bis zum Alter von 18 Jahren sind Jugendliche in Luxemburg minderjährig; danach gelten sie als Erwachsene. Sie werden dann strafmündig und haben die Pflicht, sich an politischen Wahlen zu beteiligen. Davor sind die Eltern oder ein staatlich benannter Vormund für die Kinder und Jugendlichen verantwortlich. Sie haben das Recht und die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen, müssen sie versorgen und schützen. Kinder haben wiederum die Pflicht, mindestens zwölf Schuljahre lang die Schule zu besuchen. Aber nicht nur die Eltern, auch der Staat schützt und fördert Heranwachsende. Dies geschieht durch Gesetze (zum Beispiel zum Schutz vor Tabak, Alkohol oder Drogen) und durch einen rechtlichen Rahmen zum Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung, zu anstrengender Arbeit und anderen schädlichen Einflüssen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Rechte und Pflichten für Kinder und Jugendliche definieren und deren Schutz gewährleisten sollen, stellen einen relevanten einflussnehmenden Faktor dar, wenn es um das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen geht.
Rechte und Pflichten der Jugendlichen
Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben; sie erlauben, verbieten oder ordnen etwas an und sind für alle Menschen, die dem gesetzgebenden Staat angehören, verbindlich. Bestimmte Gesetze sind altersgebunden und regeln somit die Rechte, die einer Person ab oder bis zu einem bestimmten Alter zuerkannt werden. Den Jugendlichen in Luxemburg werden sowohl Rechte als auch Pflichten auferlegt, wobei die Rechte durch das nationale Jugendschutzgesetz bestimmt werden. Die Aufgabe des „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher (OKaJu)“ (Chambre des Députés, 2020a) ist die Förderung, die Sicherung und der Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen; es handelt sich um eine neutrale Anlaufstelle, um die Kinderrechtskonvention in Luxemburg bekannt zu machen und auf ihre Einhaltung zu achten. Das OKaJu soll sicherstellen, dass das Wohl des Kindes bei jeder Entscheidung im Mittelpunkt steht.
Ein Jugendlicher gilt in Luxemburg gemäß Artikel 388 des Code Civil (Chambre des Députés, 1975) bis zum Alter von 18 Jahren als minderjährig, wobei nicht zwischen Kindern und Jugendlichen unterschieden wird. Mit 18 Jahren wird der Jugendliche volljährig und erhält zu diesem Zeitpunkt den Erwachsenenstatus mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten; er ist somit voll geschäftsfähig und für sein eigenes Handeln verantwortlich. Bis zu diesem Zeitpunkt obliegt das Wohlergehen des Jugendlichen der Fürsorge und der Verantwortung der Eltern oder einem vom Staat benannten Vertreter. Dem Minderjährigen wird jedoch auch das Recht zuerkannt, vor Gericht gehört zu werden, sobald der Verhandlungsgegenstand den Minderjährigen selbst betrifft, wie z. B. im Fall einer Scheidung, bei der das elterliche Sorgerecht zur Verhandlung steht (Chambre des Députés, 2018a).
Die Eltern haben die Pflicht, ihre Kinder zu versorgen und zu erziehen, ihre Sicherheit zu gewährleisten und ihre Moral und ihre Gesundheit zu schützen. Die Erziehung der Kinder ist ein Recht der Eltern, aber auch eine Pflicht, bei deren Nichterfüllung Sanktionen folgen können (z. B. Entzug des Sorgerechtes). Diese Sanktionen dienen dem Schutz und dem Wohl des Kindes.
Das Alter der Strafmündigkeit, also das Alter, in dem eine Person die Reife und Einsicht besitzt, um für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen zu werden, wird aufgrund der kulturellen Gegebenheiten einzelner Länder unterschiedlich angesetzt. Im Großherzogtum Luxemburg setzt die Strafmündigkeit mit 18 Jahren ein. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, bereits bei 16- bis 18-Jährigen nach dem normalen Strafrecht vorzugehen, wenn Schutz- Erziehungs- oder Ordnungsmaßnahmen als nicht ausreichend eingeschätzt werden und sofern dies vom Jugendrichter genehmigt wurde (Amt für Soziale Dienste, 2005).
Luxemburg ist eine repräsentative Demokratie in Form einer konstitutionellen Monarchie. Wie in einigen anderen europäischen Ländern Europas gibt es in Luxemburg nicht nur ein Wahlrecht, sondern auch eine Wahlpflicht, die ab dem 18. Lebensjahr beginnt, wobei das Verweigern der Wahlpflicht mit einer Geldbuße belegt werden kann (Chambre des Députés, 2003).
Die luxemburgische Verfassung (Artikel 19) garantiert jedem Bürger Religionsfreiheit. Dies beinhaltet die Freiheit, sich seine Religion auszusuchen, sie öffentlich zu leben und religiöse Ansichten mitteilen zu dürfen (Gerkrath, 2017). Im Gesetz finden sich jedoch keine Altersangaben in Bezug auf die Religionsmündigkeit wie sie in Artikel 14 der UN-Kinderrechtskonvention eingefordert werden und beispielsweise in Deutschland zu finden sind, wo Kinder ab 14 Jahren über ihre Religionszugehörigkeit selbst entscheiden dürfen.
Zu den Pflichten der Jugendlichen in Luxemburg gehört vor allem der Schulbesuch (Chambre des Députés, 2009). Hierzu zählt der Besuch der Vorschule ab dem Alter von vier Jahren, die sechsjährige Primarschule sowie vier Jahre postprimäre Pflichtschule. Somit sind insgesamt 12 Jahre Pflichtschule vom 4. bis zum 16. Lebensjahr zu absolvieren. Die Pflicht zum Besuch der Schule wird sehr ernst genommen und eine Schulverweigerung zieht ernsthafte Konsequenzen nach sich (Vorladung der Eltern, Geldstrafe, Vorladung vor das Jugendgericht, Verweis bis Unterbringung in Fremdinstitution). Andererseits besteht in Luxemburg jedoch auch das Recht, die eigenen Kinder zu Hause zu unterrichten.
Jugendschutz
Viele gesundheitsrelevante Lebens- und Verhaltensmuster entstehen bereits im Jugendalter (Hackauf & Ohlbrecht, 2010). Diese Lebensphase wird aufgrund der spezifischen zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben (u. a. der Suche nach Identität) und der damit verbundenen Belastungen auch als vulnerable Phase bezeichnet. Es handelt sich um eine Zeit des körperlichen und psychischen Heranreifens in der z. B. ein unkontrollierter Umgang mit Alkohol, Tabak oder Drogen schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann. Aus diesem Grund hat der luxemburgische Staat Gesetze zum Jugendschutz erlassen, die den Jugendlichen im Konsum bestimmter Substanzen einschränken sollen und die Ausübung bestimmter Tätigkeiten altersbedingt an einen gewissen körperlichen oder psychischen Reifegrad binden. Das Gesetz zur AEF von 2008 (Chambre des Députés, 2008) bietet den rechtlichen Rahmen, um Kindern und Jugendlichen Schutz und Hilfe (Prävention von Vernachlässigung, Misshandlung, Gewalt und die Ermöglichung von Partizipation und der Orientierung an Kinderrechten) zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Gesetz wurde die Wächterfunktion des Staates durch den Kindes- und Jugendschutz um die Kinder- und Familienhilfe ergänzt (Jäger & Peters, 2017). Somit wurden durch die Implementierung eines Nationalen Kinderbüros (ONE) und der Aide à l’Enfance soziale Hilfen zur Ergänzung der juristischen Schutzmaßnahmen auf den Weg gebracht.
Die gesetzliche Regelung zum Schutz der minderjährigen Arbeitnehmer verbietet grundsätzlich die Arbeit von Kindern bis zum 15. Lebensjahr und unterscheidet nochmals zwischen unter 18-Jährigen und erwachsenen Arbeitnehmern (Chambre des Députés, 2001). So dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nicht bei Arbeiten eingesetzt werden, die nicht ihrem Entwicklungsstand entsprechen, die übermäßige Anstrengungen erforderlich machen (z. B. Akkordarbeit), oder eine Gefahr für die körperliche oder mentale Entwicklung darstellen.
Andere gesetzliche Bestimmungen dienen dem Schutz vor dem Konsum schädlicher Substanzen wie z.B. Tabak und Alkohol. In Luxemburg existiert ein generelles Rauchverbot an öffentlichen Orten, ein Verbot von Werbung oder Sponsoring für Tabak oder Tabakerzeugnisse sowie das Verbot, Tabak(-erzeugnisse) an Minderjährige unter 16 Jahren zu verkaufen (Chambre des Députés, 2013). Ebenso ist der Verkauf von alkoholischen Getränken an unter 16-Jährige nicht erlaubt. Auch darf ein Jugendlicher unter 16 Jahren keine Gaststätten aufsuchen10, es sei denn, er wird von einem gesetzlichen Vertreter oder einer volljährigen Aufsichtsperson begleitet (Chambre des Députés, 1989).
Ein Recht auf sexuelle Beziehungen wird den Jugendlichen ab dem Alter von 16 Jahren zuerkannt. Eine Heirat ist ab dem Alter von 18 Jahren möglich, unter 18 Jahren ist die Erlaubnis des Vormundschaftsrichters erforderlich. Bezüglich des Konsums von Drogen wird zwischen risikoärmeren und harten Drogen unterschieden.
Vergehen von Minderjährigen in diesem Bereich werden als Straftat betrachtet, wenngleich sie nicht direkt unter das Strafrecht fallen. Im Rahmen von Artikel 7 des Jugendschutzgesetzes (Chambre des Députés, 1992) können von einem Staatsanwalt oder von einem Jugendrichter jedoch Maßnahmen ergriffen werden. Das Jugendschutzgesetz erlaubt es den Richtern, verschiedene Bildungs-, Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen für den Jugendlichen vorzuschlagen.
10 Ausnahmen: Er ist auf Reisen; er ist verpflichtet das Essen außer Haus einzunehmen; es handelt sich um eine Festivität, die für ihn organisiert wurde