10. Herausforderungen für Politik und Praxis

10.1. Folgen sozialer Ungleichheit für Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen

Worum es hier geht

Der durchschnittliche Lebensstandard in Luxemburg ist hoch. Und doch geht es nicht allen gleich gut. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen: Je niedriger sie ihren Sozialstatus bewerten, umso schlechter sind ihre Startbedingungen in das Leben als Erwachsene: Sie ernähren sich eher ungesünder als Jugendliche mit hohem Sozialstatus, treiben weniger Sport und erhalten nicht so viel Unterstützung durch ihre Familien. Die COVID-19-Pandemie hat diese Tendenzen weiter verstärkt. Umso wichtiger ist es, dass solche Jugendliche von ihrem sozialen Umfeld darin unterstützt werden, Lösungsstrategien für ihre Probleme zu entwickeln und dass das soziale Umfeld von der Familie bis zur Schule dazu in die Lage versetzt wird.

Aus dem Jugendbericht

Luxemburg weist insgesamt betrachtet einen hohen Lebensstandard und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit und staatlicher Unterstützung auf, was sich auch in der ökonomischen und sozialen Lage vieler junger Menschen widerspiegelt. Entsprechend berichten viele Jugendliche über ein – im internationalen Vergleich – recht hohes allgemeines Wohlbefinden, ein hohes Vertrauen in politische und gesellschaftliche Institutionen und ein hohes Maß an Zufriedenheit und Zuversicht mit der persönlichen Situation.

Auch wenn das Wohlbefinden und die Gesundheit von der überwiegenden Mehrzahl der befragten Jugendlichen in Luxemburg positiv eingeschätzt werden, so zeigen sich doch durchgehend große Unterschiede in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status (SES) der Herkunftsfamilie. Jugendliche mit einem niedrigen SES bewerten ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit durchschnittlich schlechter als Jugendliche mit hohem SES und berichten zudem über deutlich mehr Stress. Wer den eigenen Sozialstatus gering einschätzt, zeigt eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit für ein niedriges Wohlbefinden im Vergleich zu einem Jugendlichen, der seinen Sozialstatus hoch einschätzt. Jugendliche mit einem niedrigen SES sind auch deutlich weniger dazu in der Lage, ihren Gewichtsstatus adäquat einzuschätzen, sie ernähren sich schlechter, konsumieren mehr Süßigkeiten und treiben weniger Sport als Jugendliche mit einem hohen SES. Jeder dritte Jugendliche mit niedrigem SES berichtete zudem, bei Problemen nur eine geringe Unterstützung durch die Familie zu erhalten. Neben fehlenden finanziellen Möglichkeiten spielen dabei auch gesundheitsbezogene Einstellungen, Motive und Handlungsmuster als Teil einer erlernten somatischen Kultur eine bedeutsame Rolle für die Erklärung gesundheitlicher Ungleichheiten. Auch die durch die Covid-19-Pandemie bedingte Situation hat zu einer weiteren Benachteiligung von Jugendlichen mit niedrigem SES geführt; sie kommen schlechter mit der veränderten Situation zurecht und zeigen niedrigere Werte in ihrer Lebenszufriedenheit.

Soziale Ungleichheit im Sinne von in unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung stehenden finanziellen, sozialen und kulturellen Ressourcen kann somit als ein durchgehender Faktor der Herstellung unterschiedlicher Ausgangsbedingungen für die Entwicklung von Wohlbefinden und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Luxemburg angesehen werden. Je nach Ressourcenausstattung kann also die soziale Herkunft für Kinder und Jugendliche einen Schutzfaktor darstellen, aber auch ein Risikofaktor sein.

Ausgehend von diesen Befunden erscheint es besonders wichtig, den Folgen der sozialen Ungleichheit in Bezug auf Wohlbefinden und Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Luxemburg gezielt entgegenzuwirken. Entsprechende Strategien und Programme sollten insbesondere auf Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Milieus ausgerichtet sein, wo ein hohes Armutsrisiko, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, ein niedriges Einkommen, Migrationshintergrund und unzureichende gesellschaftliche Integration als Indikatoren fehlender gesellschaftlicher Inklusion und beeinträchtigter Entwicklungs- und Aufstiegschancen angesehen werden können. Dabei sollten Kinder und Jugendliche (unter Einbezug der Familien) vor allem in der Entwicklung von Gesundheitsbewusstsein und entsprechenden Handlungskompetenzen unterstützt werden.