10. Herausforderungen für Politik und Praxis

10.12. Die Covid-19-Pandemie

Worum es hier geht

Die COVID-19-Pandemie hatte starke Auswirkungen auf das Wohlbefinden junger Menschen. In einer prägenden Lebensphase, die normalerweise von großer Aktivität gekennzeichnet ist und in der täglicher Austausch mit vielen verschiedenen Menschen sehr wichtig ist, mussten Jugendliche sich plötzlich völlig umstellen: Kontakte und gemeinsame Aktivitäten waren während des Confinements nicht möglich. Hinzu kamen große Unsicherheiten bezüglich der wirtschaftlichen Situation, der Ausbildung und anderen Lebensbereichen. Jugendliche haben verschiedene Bewältigungsstrategien entwickelt, um mit diesen Belastungen umzugehen. Auch hier waren sie in vielen Fällen wieder Akteurinnen und Akteure, die ihr Leben und ihr Umfeld (mit-)gestaltet haben. Diese aktive Einstellung muss bei Jugendlichen weiter gefördert und gestärkt werden, damit sie zukünftig andere Krisen ebenfalls gut bewältigen können.

Aus dem Jugendbericht

Der Jugendbericht beschäftigt sich auch mit den Einschätzungen der Jugendlichen zur Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen. Mit Hilfe einer breit angelegten Zusatzstudie konnten wichtige Erkenntnisse zum Umgang der Jugendlichen mit der Pandemie, ihrem Bewältigungshandeln und den Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit gewonnen werden.

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben den Tagesablauf, die Freizeitgestaltung und auch das wohlbefindensorientierte und gesundheitsrelevante Handeln der Jugendlichen verändert. Gesellschaftliche Aktivitäten wurden reduziert, während individuelle Freizeitaktivitäten in der Natur, kreative Tätigkeiten oder virtuelle Aktivitäten zugenommen haben. Entsprechend werden persönliche Kontakte und soziale Interaktionen von den Jugendlichen sehr vermisst und ihre Bedeutung für das subjektive Wohlbefinden und die psychische Gesundheit wird verstärkt wahrgenommen und thematisiert. Im Hinblick auf die körperliche Gesundheit steht die Sorge um die Familie und ältere Angehörige oft stärker im Vordergrund als die Sorge um die eigene Gesundheit.

Die Jugendlichen fühlen sich in der Regel gut über die Covid-19-Pandemie und die damit zusammenhängenden Maßnahmen informiert. Allerdings schränken sie mit der Zeit ihren Nachrichtenkonsum ein, um sich psychisch zu schützen und besser mit ihren Ängsten umgehen zu können.

Die Auswirkungen der Pandemie auf das Zusammenleben in der Familie werden in Abhängigkeit vom SES unterschiedlich bewertet. Jugendliche, deren Familien über gute finanzielle Ressourcen verfügen, schätzen die Auswirkungen der Pandemie auf das Zusammenleben im Haushalt positiver ein, während negative Auswirkungen häufiger von finanziell schlechter situierten Jugendlichen angegeben werden.

Die familiäre Unterstützung wird von den Jugendlichen jedoch als eine wichtige Ressource wahrgenommen und zur besseren Bewältigung der verschiedensten Belastungen der Pandemie genutzt. Eine weitere Bewältigungsstrategie in dieser Krisensituation stellt für viele Jugendliche die verstärkte Nutzung digitaler Medien zur Kontaktherstellung und -erhaltung zu Freunden dar.

In Bezug auf die schulische Situation wurde von Seiten der Jugendlichen auf das teilweise fehlende Interesse an ihrem Wohlbefinden aufmerksam gemacht. Die zusätzliche soziale Isolation durch die Einschränkung der Kontakte zu Freunden (auch das Vermissen körperlicher Nähe) und die damit verbundene gefühlte Freiheitseinschränkung sowie Unsicherheiten in Bezug auf die schulische und berufliche Laufbahngestaltung haben sich teilweise negativ auf ihr Wohlbefinden und die psychische Gesundheit ausgewirkt. Als weitere Belastung hat sich für benachteiligte Jugendliche eine Verringerung des Haushaltseinkommens durch Kurzarbeit oder Jobverlust während der Pandemie gezeigt. Der essentielle Einfluss sozialer Ungleichheit auf Wohlbefinden und Gesundheit zeigt sich somit in der Zeit der Pandemie verstärkt.

Das Bedürfnis und die Suche nach emotionaler Unterstützung ist als ein zentrales Element der Bewältigung von belastenden oder herausfordernden Situationen zu erkennen. Familie, Freunde, aber auch die Unterstützung im Kontext von Institutionen wie der Schule nehmen eine zentrale Bedeutung bei der Erhaltung und Förderung von Wohlbefinden und psychischer Gesundheit ein. Die Covid-19-Pandemie, die sich als belastende Ausnahmesituation zeigt, verstärkt die bereits erhaltenen Befunde im Hinblick auf die Bedeutung emotionaler Unterstützung in verschiedenen Sozialisationskontexten und den starken Einfluss des SES.

Jugendliche zeigen in Situationen, die eine besondere Herausforderung darstellen (wie z. B. die Covid-19-Pan- demie), aktiv aufsuchende Bewältigungsstrategien und legitimieren somit die Betrachtung des Jugendlichen als Akteur und Gestalter. Diese Potentiale weiterzuentwickeln bedarf geeigneter Möglichkeiten sowohl im familiären als auch im institutionellen Umfeld der Jugendlichen. Hier gilt es, der Familie und den sozialen Interaktionspartnern aus den verschiedensten Kontexten bedarfsgerechte Unterstützung zukommen zu lassen, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können.