10. Herausforderungen für Politik und Praxis

10.3. Altersbezogene Differenzen und Risikofaktoren

Worum es hier geht

Die Zeit von der Geburt bis zum Erwachsenwerden ist turbulent. In dieser Lebensphase durchleben Jugendliche eine Reihe von schnellen und starken Veränderungen. Dementsprechend ändern sich auch Gewohnheiten, die das Wohlbefinden und die Gesundheit betreffen. Ernähren sich Kinder relativ gesund und treiben sie regelmäßig Sport, so ist dies bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend seltener der Fall. Im Teenageralter werden dann Themen wie Alkohol- und Tabakkonsum oder Drogen wie Cannabis ein Thema. Da sich Verhaltensmuster, die in der Jugend eingeübt werden, besonders stark auf das spätere Verhalten im Erwachsenenalter auswirken, müssen Präventions- und Gesundheitsprogramme die Einstellungen und das Wissen junger Menschen berücksichtigen, um wirklich wirksam sein zu können.

Aus dem Jugendbericht

Der Jugendbericht berücksichtigt in seinen Untersuchungen eine Altersspanne von 12 bis 29 Jahren: von der Pubertät und frühen Adoleszenz (12 bis 14 Jahre) bis hin zum jungen Erwachsenenalter und der Postadoleszenz (25 bis 29 Jahre). Innerhalb dieser breiten Altersspanne kommen in Abhängigkeit von den jeweiligen körperlichen und psychischen Entwicklungsprozessen und altersbedingten Lebenssituationen (u. a. Schule, Arbeit) ganz unterschiedliche Einstellungen, Interessen und Verhaltensweisen zum Tragen. Damit verbunden zeigen sich in Abhängigkeit vom Alter z. T. sehr unterschiedliche Befunde in Bezug auf das Wohlbefinden, die Gesundheitseinschätzung und das gesundheitsrelevante Handeln der Jugendlichen: Einige gesundheitliche Probleme entwickeln sich verstärkt mit zunehmendem Alter; andere sind eher an ein bestimmtes Alter und eine bestimmte Entwicklungsphase gekoppelt (z. B. die Puber tät mit dem hohen Stellenwert von Identitätsfragen) und verlieren danach an Bedeutung.

So ist der Anteil der übergewichtigen Jugendlichen in der ältesten Altersgruppe doppelt so hoch wie in der jüngsten. Auch ist der Anteil Jugendlicher mit moderaten oder schweren depressiven Symptomen in den älteren Altersgruppen deutlich höher. Zudem unterscheidet sich die Einschätzung der Lebenszufriedenheit nach Alter. Jüngere Jugendliche zeigen eine höhere Lebenszufriedenheit als ältere Jugendliche. Auch Ernährungsgewohnheiten und sportliche Aktivität weisen einen Zusammenhang mit dem Alter der Jugendlichen auf: Jüngere Personen ernähren sich gesünder als ältere Jugendliche; sie konsumieren mehr Obst und Gemüse und trinken weniger zuckerhaltige Getränke. Besonders auffällig ist zudem die deutlich geringere Bewegungsintensität bei älteren Jugendlichen, wobei oftmals Stress und Zeitmangel sowie die Priorisierung anderer Aktivitäten als Ursachen sowohl für den Mangel an Bewegung als auch für ungesunde Ernährung angegeben werden.

In Bezug auf riskantes Gesundheitsverhalten zeigen sich in den letzten Jahren in Luxemburg Rückgänge im Alkohol- und Tabakkonsum der Jugendlichen, jedoch ein Anstieg im Cannabisgebrauch. Doch auch wenn das Trinken von Alkohol insgesamt rückläufig ist, zeigt ein Blick auf die aktuellen Zahlen, dass nahezu jeder Zweite der 15- bis 17-Jährigen in den vergangenen 30 Tagen Alkohol konsumiert hat; bei den 24- bis 26- Jährigen sind es gar vier von fünf Jugendlichen. Beim Cannabiskonsum ist es in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen jeder zehnte Jugendliche, der einen Konsum in den letzten 30 Tagen bestätigt. Ein multiples gesundheitsschädigendes Verhalten zeigt sich vor allem im Alter von etwa 15 bis 17 Jahren besonders konzentriert; offenbar bilden sich in dieser mittleren Jugendphase schädigende Verhaltensweisen besonders stark heraus, verlieren aber mit zunehmendem Alter für viele Jugendliche wieder an Bedeutung.

Darüber hinaus konnte jedoch auch sichtbar gemacht werden, dass Jugendliche über unterschiedliche Bewältigungsstrategien verfügen, um mit bestimmten Belastungen und gesundheitlichen Herausforderungen umgehen zu können. Vor allem ältere Jugendliche verfügen über eine größere Vielfalt von Bewältigungshandlungen und können diese flexibler handhaben und damit auf verschiedene Situationen passgenauer reagieren.

Diese Ergebnisse könnten Ansatzpunkte sowohl für die inhaltliche Ausgestaltung als auch für eine altersadäquate Ansprache der Zielgruppe von Präventions- und Fördermaßnahmen zur Verfügung stellen. Hier wird es darauf ankommen, das Problem einer grundlegenden lebensphasenübergreifenden Persistenz einmal erworbener Verhaltensmuster gegenüber den Jugendlichen zu betonen, ohne ihr aktuelles Verhalten selbst radikal zu problematisieren. Dies gilt etwa für den Umgang mit Alkohol, Tabak und weichen Drogen, aber auch für ungesundes Essen und einen ungesunden Lebensstil. Vieles davon ist als Teil jugendspezifischer Lebensstile weitgehend akzeptiert und unhinterfragte Voraussetzung für die Akzeptanz und Zugehörigkeit zu den Netzwerken von Peers und Freunden und damit für das Wohlbefinden der Jugendlichen. Vielen Jugendlichen sind die damit verbundenen Risiken durchaus bewusst, sie nehmen sie aber für die Stärkung ihrer sozialen Integration und ihres Wohlbefindens in Kauf. Präventions- und Fördermaßnahmen sollten diese grundlegende Ambivalenz bewusstmachen und Jugendliche unterstützen in der Entwicklung von eigenständigen Bewältigungsmustern zum Umgang mit Risiken und zur Herstellung resilienter Handlungsweisen.

Da die in der Jugend erworbenen Verhaltensmuster sich oftmals im späteren Erwachsenendasein weiter verfestigen, ist eine Investition in das Erlernen gesundheitsbezogener Bewältigungsmuster und Handlungskompetenzen sowohl für die Jugendlichen selbst sinnvoll und vorteilhaft als auch gesamtgesellschaftlich betrachtet von großer Bedeutung.