10.8. Peers als Ressourcen und Risiko
Freunde machen stark. Bei Gleichaltrigen (oder „Peers“) fühlen sich Jugendliche meistens wohl, finden Austausch und Anerkennung und sammeln wichtige Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen. Problematisch wird es, wenn Freunde zu riskantem Verhalten verleiten, wenn Alkohol- oder Tabakkonsum zum Gruppenzwang werden oder wenn es gar zu Mobbing kommt. Solche Probleme müssen vom sozialen Umfeld der Jugendlichen, zum Beispiel in der Kinder- und Jugendhilfe, sensibel angenommen und bearbeitet werden. Die entsprechenden Institutionen müssen sich vernetzen und gemeinsam ein Gespür dafür entwickeln, wo es zu Problemen kommt. Sie sollten niederschwellig Hilfe anbieten – ohne die Bedeutung eines Freundeskreises damit zu schmälern.
Neben der Familie hat sich die Rolle der Freunde und Peers als besonders bedeutsam für das Wohlbefinden und Gesundheitsverhalten von Jugendlichen gezeigt. Anerkennung unter Gleichaltrigen und vertrauensvolle unterstützende Freundschaften zeigen positive Wirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Jugendlichen. Als wichtige Bezugsgruppe und „Übungsfeld“ für soziale Interaktionen stellen die Netzwerke der Peers neben der Familie eine bedeutsame Lebenswelt dar, innerhalb derer die Übernahme von Verhaltensformen und -normen eingeübt werden kann. Peers können soziale Unterstützung beim Umgang mit problematischen Situationen und Belastungen ermöglichen und somit deren Bewältigung erleichtern. Andererseits können Peer-Beziehungen aber auch wohlbefindens- und gesundheitsbelastend sein, wenn riskante Verhaltensweisen übernommen werden, um Anerkennung in der Gruppe zu finden, oder wenn Jugendliche innerhalb dieser sozialen Beziehungen mit Mobbing, aggressivem Verhalten, Risikoverhalten oder übersteigertem Konformitätsdruck konfrontiert werden. Obwohl heute insgesamt etwas weniger Jugendliche von akuten Mobbingerfahrungen berichten, ist Mobbing als soziales Problem gerade im Jugendalter ernst zu nehmen und eine große und nachhaltige Belastung für die Betroffenen.
Dies gilt insbesondere auch für die Erfahrungen in den sozialen Medien, deren Bedeutung für jugendliche Interaktionen erheblich zugenommen hat und die wegen der größeren Anonymität und Abstraktheit der Kommunikation auch verstärkt verletzende und menschenfeindliche Kommunikation erleichtern.
Jugendliche, die durch negative Peereinflüsse in Face-to-Face-Alltagssituationen oder in den sozialen Medien betroffen und in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt sind, brauchen Unterstützung durch professionelle und kompetente Berater. Sie werden oft nicht selbst initiativ bei der Suche nach professioneller Hilfe und Unterstützung und brauchen von daher auch sensible, zugewandte Formen der Ansprache und Bewusstseinsbildung. Formale und nonformale jugendrelevante Institutionen könnten durch eine professionelle, feldübergreifende und interdisziplinäre Vernetzung gemeinsam ein solches Sensorium für diese jugendspezifischen Risiken und Gefährdungen entwickeln. Gleichwohl gilt es auch, die Potentiale der Peers als Sozialisationsinstanz anzuerkennen und zu fördern. In der sozialen Interaktion mit Gleichaltrigen finden nicht nur wichtige Lernprozesse statt, hier erfahren Jugendliche auch Unterstützung und Anerkennung.