4. Wie Jugendliche ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit einschätzen

4.2.1. Was Jugendliche unter Wohlbefinden verstehen

Bislang gibt es nur wenige Studien, die sich mit der subjektiven Einschätzung und dem Verständnis von Wohlbefinden bei Jugendlichen befassen (Ohlbrecht & Winkler, 2018). In einer Studie der Universität Padua wurden 300 Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren mit Hilfe semistrukturierter Interviews zu ihrem Verständnis von Wohlbefinden befragt. Dabei zeigte sich kein einheitliches Verständnis dieses Begriffs, sondern eine Vielzahl von Assoziationen: Gesundheit, innere Ruhe, positive Gefühle, gute sozioökonomische Bedingungen, Harmonie, Zufriedenheit, Freiheit und Glück (Armezzani & Paduanello, 2013). Eine Studie der Universität Melbourne, die Jugendliche im Alter von 16 bis 24 Jahren zu ihrem Verständnis von Wohlbefinden befragte, bestätigte diese umfassende Perspektive. Gesundheit und Wohlbefinden wurden nicht als isolierte Begriffe gesehen, sondern als vernetzt. Am häufigsten wurde Wohlbefinden dabei mit Glück (happiness) und Zufriedenheit mit sich selbst (feeling good about oneself) definiert (Bourke & Geldens, 2007). Vergleichbare Aussagen fanden sich auch in der qualitativen Studie, die für den luxemburgischen Jugendbericht durchgeführt wurde.

Zufriedenheit mit sich selbst, seinem Körper und das Empfinden von Glück

Auf die Frage nach dem subjektiven Verständnis von Wohlbefinden nennen die Befragten häufig die Zufriedenheit mit sich selbst und ihrem Körper. Einige Jugendliche beschreiben Wohlbefinden als „sich in seiner Haut sowie in der eigenen Umgebung wohlfühlen“. Ist dies der Fall, können sie sich in den verschiedensten Situationen, Momenten und in ihrem Umfeld wohlfühlen

„Wuelbefannen, fannen ech, dass een einfach mat sech selwer, sengem Kierper ass. Wann een sech wuel fillt, ouni komplexéiert ze sinn, also och am Kapp, et ass een einfach sou mat sech selwer zefridden […] da fillt een sech wuel an allen Situatiounen.“

(Roxanne, 24 Jahre, 9:3)

Einige Jugendliche assoziieren Wohlbefinden mit einem bestimmten Gefühl. Die dazugehörigen Aussagen sind sehr heterogen, aber sie können als Beschreibungen eines Glücks- und Zufriedenheitszustands zusammengefasst werden.

„Ech géif einfach soen, insgesamt sech glécklech fillen. Jo. Wat ass glécklech, kënnt elo d’Fro. […] Dat ass eng schwéier Fro, wéi laang hunn ech Zäit fir ze iwwerleeën? […] Ech géif einfach behaapten, zefridde si mat sech selwer, oder och mat sengem Ëmfeld, dass een do keng grouss Problemer huet.“

(Frank, 16 Jahre, 59:44)

Da Glück für viele der Interviewten schwierig zu definieren ist, umschreiben sie diesen Begriff oder erläutern ihn anhand von bestimmten Erlebnissen. Eine Befragte beschreibt sich als glücklich, wenn sie etwas gemacht hat, was sie vorher nie geschafft hat.

„Besonders glücklich, tränengefüllt, wenn ich was gut gemacht habe. Wenn ich was hingekriegt habe, was ich vorher nicht hinkriegte. Dann fühle ich mich auch richtig wohl und gut, nachdem ich es zwei bis drei Mal gemacht habe und es dann endlich klappt.“

(Jenny, 18 Jahre, 37:10)

Sich selbst herauszufordern und stolz auf sich selbst zu sein, wenn man selbstgesteckte Ziele erreicht hat, ist für sie eine Form des Glücksempfindens.

Erfahrung von Unterstützung, Anerkennung und Geborgenheit im sozialen Umfeld

Wohlbefinden bringen Jugendliche auch mit ihrem sozialen Umfeld in Verbindung. Sie fühlen sich in Situationen wohl, in denen sie von nahestehenden Menschen umgeben sind.

„Ech géif do soen, Wuelbefannen einfach: villäicht mol mat sech selwer glécklech sinn an deem Moment, an dann och mat der Situatioun ronderëm. Also Famill, Kolleegen, dass jiddereen do ass.“

(Lea, 15 Jahre, 39:3)

Dementsprechend können Orte, die mit Freunden oder der Familie aufgesucht wurden, Wohlbefinden vermitteln. Wohlbefinden entsteht in vertrauten Umgebungen, in denen die Befragten so sein können, wie sie sind.

„Dat ass, wann een zum Beispill bei der Famill ass, bei Kolleegen ass. Op Plazen, wou een zum Beispill positiv Erënnerungen huet, un fréier zum Beispill. Dat sinn sou Plazen, wou ech géif soen, dat wäer Wuelbefannen. Wann een do ass, oder an der Presenz vun Kolleegen.“

(Sam, 16 Jahre, 21:8)

Neben dem unmittelbaren sozialen Umfeld erwähnen manche Befragte, dass es zum Wohlbefinden dazugehört, dass sie von der Gesellschaft akzeptiert werden und an ihr teilhaben können.

„MaWuelbefannen ass, wann een sech einfach an der Societéit einfach, also ukomm fillt. Iergendwéi, dass een akzeptéiert gëtt an sou. Jo, dass een sech wuel fillt, dat wat een op d‘Been bruecht huet. Dat wat ee grad mécht, dass een, jo dass een sech gutt derbäi fillt.“

(Chantal, 27 Jahre, 62:5)

Die Möglichkeit zu haben, mit jemandem über die eigenen Sorgen und Probleme zu reden, und zu wissen, dass jemand sie unterstützt, ist für einige Jugendliche ein weiterer wichtiger Aspekt ihres Wohlbefindens.

„Dat heescht, einfach vu gudde Persounen entouréieren, mat sengen Eltere vill schwätzen, wann eppes net ok ass. Ni alles an sech halen, entweder den Elteren oder Kolleeg oder iergendeen deen, wann een eppes an sech hält, dann huet een ëmmer déi Pressioun an sech, a wann een dat awer seet, dann deet dat jo gutt.“

(Yves, 14 Jahre, 50:8)

Außer von der Zufriedenheit mit sich selbst ist das Verständnis von Wohlbefinden also auch stark von den Erfahrungen der Jugendlichen in ihrem sozialen Umfeld geprägt.

Abwesenheit von Stress und Leistungsdruck

Für einige Jugendliche bedeutet Wohlbefinden, keinen Stress und damit verbundene negative Gedanken zu haben. Sie können sich nur wohlfühlen, wenn sie frei von Belastungen und Verpflichtungen sind, wie beispiels weise Alltagssorgen aus Schule und Arbeitswelt.

„Wann ee keng Gedanke méi huet, sou, wann een, einfach, maache wat ee wëll. Wann een net nach muss denken: ‚Ech muss nach dat maachen. Ech muss nach fir dat léieren. Ech muss nach schaffen.‘ Keng Anung, einfach relax sinn ouni aner Gedanken. Einfach op dat fokusséiere, wat een grad gäre mécht.“

(Jan, 13 Jahre, 45:2)

Ferien und Freizeit werden daher von vielen als die Zeit genannt, in der sie sich nicht um alltägliche Verpflichtungen kümmern müssen. Diese Zeit ist den Jugendlichen besonders wichtig, da sie sich dann entspannen können und sich keine Sorgen oder Gedanken über Aufgaben im Alltag machen müssen. Ein Jugendlicher berichtet von seiner Freizeit, die er nur genießen kann, wenn er weiß, dass er in der folgenden Woche keinen Test und keine Verpflichtungen in der Schule hat.

„Genau, dat heescht fir mech, sou vill wéi an der Fräizäit, sech ameséieren, dass een net ëmmer, e bësschen och vun Gedanke fräi hunn. Dass een net ëmmer muss Gedanken an der Schoul hunn zum Beispill. Zum Beispill wärend engem Weekend, wann een elo net grad en Test nächst Woch huet, dass een dann och ka bësschen ofschalten. Dass een dann net ëmmer Konzentratioun voll op der Schoul muss leien. Dat ass do wichteg.“

(Sam, 16 Jahre, 21:60)

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Jugendliche den Begriff des Wohlbefindens vor allem mit Zufriedenheit, Glück und einem positiven Körperempfinden umschreiben. Wohlbefinden bedeutet für sie sich so zu akzeptieren, wie sie sind. Wohlbefinden bezieht sich aber auch auf das soziale Umfeld. Unter Wohlbefinden verstehen Jugendliche ein stabiles, gesundes Umfeld sowie soziale Strukturen, in die sie eingebettet sind.