10. Herausforderungen für Politik und Praxis

10.9. Fokussierung des Wohlbefindens in institutionellen Kontexten

Worum es hier geht

Schule. Sportverein, Jugendhaus, Arbeitsplatz: Junge Menschen werden nicht nur durch Familie und Freunde geprägt. Sie bewegen sich auch in Institutionen, die einen starken Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit haben. Oft sind die jungen Menschen nicht ausreichend daran beteiligt, diese Räume mitzugestalten und sich an der Definition von Regeln und Abläufen beteiligen zu können. Hier eine stärkere Beteiligung (also Partizipation) der jungen Menschen zu ermöglichen, ist sehr wichtig: Durch aktive Mitwirkung erkennen Jugendliche ihre Gestaltungsmöglichkeiten besser, und sind eher in die Lage, sich später auch als Erwachsene aktiv in ihr Umfeld einzubringen. Probleme halten sie dann nicht einfach nur aus, sondern können sie aktiv angehen und Lösungen entwickeln.

Aus dem Jugendbericht

Formale institutionelle Kontexte für Jugendliche wie die Schule oder die Arbeitswelt, in denen Jugendliche viel Zeit verbringen, können Wohlbefinden und Gesundheit ebenso entscheidend beeinflussen wie die Familie, Peers oder andere außerschulische Lebensbereiche (u. a. Jugendhäuser, Vereine, Freizeit). Das Stresslevel, die Leistungsanforderungen, die Interaktionen und sozialen Beziehungen sowohl zu den (pädagogischen) Fachkräften als auch zu den anderen Jugendlichen in diesen Kontexten sowie der Grad an wahrgenommenen Partizipationsmöglichkeiten spielen eine entscheidende Rolle für das subjektiv empfundene Wohlbefinden der Jugendlichen. Diese institutionellen Kontexte haben somit eine hohe Bedeutung für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen.

Auf der Basis unserer Untersuchungen ist deutlich geworden, dass Wohlbefinden und Gesundheit der Jugendlichen insbesondere in den formalen Institutionen noch nicht ausreichend fokussiert und als zentrale Ressourcen für Bildungserfolge, Entwicklungsfortschritte und Arbeitsleistungen wahrgenommen werden.

Grundsätzlich wird es hier verstärkt darauf ankommen, das Bewusstsein der engen wechselseitigen Abhängigkeit von Beruflichem und Privatem, von Arbeit, Schule, Familien und sozialem Umfeld weiterzuentwickeln und den Jugendlichen ganzheitlich in all seinen unterschiedlichen Facetten und Interessen wahrzunehmen. Hierbei könnte die Förderung von Handlungsmöglichkeiten und -fähigkeiten (Agency) in Schulen, den Heimen und der Arbeitswelt, aber auch in nonformalen Settings (z. B. Jugendhäuser, Freizeitbereich) durch Ausweitung von Partizipation und gezieltem individuellem Empowerment einen wertvollen Beitrag leisten. Regeln und Strukturen kritisch zu hinterfragen, Partizipationsräume weiter zu öffnen und die Vernetzung zwischen den Institutionen zu stärken, könnte Jugendlichen helfen, eigene Gestaltungsspielräume und eigene Ressourcen besser wahrzunehmen und gewinnbringend einzusetzen. Insbesondere eine stärkere Vernetzung und Kooperation zwischen schulischen und außerschulischen Institutionen könnte dazu einen Beitrag leisten. Eine strategische Weiterentwicklung von bildungs-, entwicklungs- und leistungsbezogenen Zielsetzungen innerhalb dieser institutionellen Kontexte bedarf daher einer stärkeren Wahrnehmung von Wohlbefinden und Gesundheit als zentraler Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und Arbeiten.