2. Konzeption des Jugendberichts

2.2.3. Wohlbefindensorientiertes und gesundheitsrelevantes Handeln

Auch die Handlungen von Jugendlichen haben einen Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. Wohlbefindensorientiertes und gesundheitsrelevantes Handeln können entweder zur Herstellung, Erhaltung und Förderung oder aber auch zu einer Beeinträchtigung von Wohlbefinden und Gesundheit führen. Hierbei können die Jugendlichen als kompetente Akteure im Hinblick auf die bewusste Beeinflussung ihres Wohlbefindens und ihrer Gesundheit charakterisiert werden (Pinquart & Silbereisen, 2007; Rademaker, 2018).

Handlungen können sich je nach ihrer Ausgestaltung sowohl negativ als auch positiv auswirken und werden von expliziten und impliziten individuellen Vorstellungen der Jugendlichen, also ihrem subjektiven Konzept von Wohlbefinden und Gesundheit, mitbeeinflusst (Faltermaier et al., 2017). Die persönliche Auffassung von Wohlbefinden und Gesundheit sowie die persönliche Einschätzung darüber, welche Ursachen und kontextuellen Bedingungen Gesundheit bzw. Wohlbefinden hervorrufen, fördern, verhindern oder vermindern (Blättner & Waller, 2011), beeinflussen folglich auch das damit einhergehende individuelle wohlbefindensorientierte und gesundheitsrelevante Handeln.

Wohlbefindensorientiertes Handeln

Die Ausprägung von Wohlbefinden kann durch externe strukturelle Faktoren ebenso wie durch den Jugendlichen selbst, seine Agency (Handlungsmächtigkeit) und Capabilities (Fähigkeiten und Kompetenzen) beeinflusst werden. Hierbei können sämtliche Verhaltensweisen, die zur Herstellung, Erhaltung und Förderung des Wohlbefindens führen, als wohlbefindensorientiertes Handeln und somit als Ressourcen betrachtet werden.

Wohlbefindensorientiertes Handeln kann in vielen Lebensbereichen (u. a. Schule, Beruf, Freizeit) und Situationen (soziale Interaktionen) stattfinden. Zur Steigerung des Wohlbefindens nutzen Jugendliche vor allem ihre Freizeit und zeigen unterschiedliche individuelle Präferenzen bzgl. der Aktivitäten, die diesbezüglich ausgeübt werden. Ein Teil dieser Handlungen kann sich positiv auf das Wohlbefinden und die Gesundheit auswirken, wie z. B. sportliche Betätigung, gesunde Ernährung oder Natur erleben. Andere Handlungen können durchaus vorübergehend Wohlbefinden herbeiführen (u. a. Rauchen, Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung), aber die Gesundheit mittel- und langfristig beeinträchtigen und somit eine gewisse Ambivalenz des wohlbefindensorientierten Handelns aufzeigen.

Geht es um die Erhaltung, bzw. Wiederherstellung des Wohlbefindens, ist der Einsatz von stressreduzierenden Maßnahmen oder von Copingstrategien besonders wichtig. Sie können stressinduziertes Unwohlsein verringern oder beseitigen. Transaktionale Stresskonzepte fokussieren hierbei die individuelle Bewertung von Ereignissen (Lazarus & Folkman, 1984), wobei die Relevanz des Stressors auf das Wohlbefinden individuell unterschiedlich eingeschätzt werden kann. Somit können auch unterschiedliche Handlungen vollzogen werden, um das Wohlbefinden wieder zu verbessern. Hierbei kommt es entscheidend auf das dem Individuum zur Verfügung stehende Handlungsrepertoire, seine Capabilities und Agency an.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch der Begriff der Resilienz zu nennen, der in der psychologischen Forschung eng mit dem Begriff des Wohlbefindens verbunden ist. Panter-Brick und Leckmann (2013, S. 333) betrachten Resilienz als „Prozess, sich biologische, psychosoziale, strukturelle und kulturelle Ressourcen nutzbar zu machen, um Wohlbefinden aufrechtzuerhalten“. Die Bedeutung der Resilienz, die vereinfacht auch als psychische Widerstandskraft bezeichnet werden kann, ergibt sich aus dem Potential von Entwicklungsspielräumen, welches in diesem Konzept gesehen wird. Das heißt, hier wird der verengte Blick auf die negativen Auswirkungen von aversiven Lebensbedingungen aufgegeben und auf die positive Bewältigung von negativen Umwelteinflüssen gelenkt (Fooken & Zinnecker, 2009). Fooken (2013) spricht von Resilienz, wenn Personen dazu in der Lage sind, sich mit negativen Lebensumständen oder sogar kritischen Lebensereignissen auseinanderzusetzen und infolge dieser erfolgreichen Auseinandersetzung seelisch zu „wachsen“.

Gesundheitsrelevantes Handeln

Das gesundheitsrelevante Handeln von Heranwachsenden kann nicht nur ihre aktuelle Gesundheit beeinflussen, sondern durch eine Verfestigung von Verhaltensweisen auch Auswirkungen im Erwachsenenalter zeigen. In der Fachliteratur werden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen für gesundheitsrelevantes Handeln erkennbar. Frühe Betrachtungen von Kasl und Cobb (1966, S. 246) sehen „jegliche Aktivität, die von einer sich gesund fühlenden Person unternommen wird, um Krankheiten zu verhüten“, als relevant an, während Anderson (1984) von „positivem Gesundheitsverhalten“ (z. B. Erleben von Freude, Abwechslung) spricht und damit weniger die Verhütung von Krankheiten im Blick hat, sondern eher die Erhaltung und Förderung der Gesundheit sowie persönliches Wachstum und Entwicklung fokussiert. Becker (1992) wiederum spricht vom habituellen Gesundheitsverhalten und versteht darunter regelmäßige Maßnahmen, die von einer Person zur Erhaltung ihrer Gesundheit ergriffen werden (u. a. regelmäßiges Essen, Sport, ausreichend Schlaf).

Entsprechend diesen Bestimmungen können unter gesundheitsrelevantem Handeln alle Verhaltensweisen verstanden werden, die einen positiven oder negativen Einfluss auf die Gesundheit ausüben. Unter gesundheitsrelevantes Handeln fallen somit nicht nur Aktivitäten zum Schutz der Gesundheit, sondern auch Handlungen, die eine Gefahr oder ein Risiko für die Gesundheit darstellen können. Verhaltensweisen werden „dann als Risikoverhalten eingestuft, wenn sie an der Entstehung wichtiger und häufiger Erkrankungen beteiligt sind“ (Blättner & Waller, 2011, S. 65). Dies gilt u. a. für Nikotinkonsum, Alkohol- und Drogenmissbrauch, falsche Ernährung, riskantes Sexualverhalten und Bewegungsmangel; aber auch für gefährdendes Fahrverhalten und gewalttätiges Sozialverhalten.

Warum viele dieser riskanten Verhaltensweisen im Jugendalter verstärkt vorkommen, ist im Zusammenhang mit den verschiedenen Funktionen zu sehen, die diese Verhaltensweisen für Jugendliche erfüllen können. Hierbei kann es sich beispielsweise um eine Bewältigungsstrategie handeln, um mit Angst und Frustration besser umzugehen; um Oppositionsverhalten gegenüber der Gesellschaft; um Verhalten zur Erlangung von Anerkennung und Akzeptanz bei der Peergroup oder um Risikoverhalten aus Vergnügen und Experimentierfreude (Jessor, 1984). Riskante Verhaltensweisen sind damit ambivalent. Sie beinhalten ein gesundheitliches Risiko, können aber auch zu einer kurzfristigen Steigerung des Wohlbefindens führen.

Die sich im Jugendalter ausbildenden Handlungsmuster sind deshalb so bedeutsam, weil sie sich auf die Persönlichkeitsentwicklung (Call et al., 2002) und auch auf das wohlbefindens- und gesundheitsbezogene Verhalten im Erwachsenenalter auswirken können (Hackauf & Ohlbrecht, 2010; Malina, 2001; Manz et al., 2014; Miller et al., 2007; Telama, 2009). Somit können das wohlbefindensorientierte und das gesundheitsrelevante Handeln im Jugendalter als wichtige Komponenten betrachtet werden, die in einer Berichterstattung zu Wohlbefinden und Gesundheit im Jugendalter thematisiert und analysiert werden müssen.