2. Konzeption des Jugendberichts

2.3.3. Strukturelle Faktoren

Innerhalb der strukturellen Faktoren, die Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen nehmen, sind in erster Linie außerfamiliale Institutionen und Kontexte zu beachten, die in der Lebenswelt der Jugendlichen einen zentralen Stellenwert einnehmen. Schule, Arbeit, Jugendhäuser, Heime oder betreute Wohnstrukturen, die Jugendliche auf dem Weg in ein autonomes Leben begleiten, stehen entsprechend hier im Zentrum der Analyse.

Jugendrelevante Institutionen

Die während der Sozialisation bereits erworbene Handlungsmächtigkeit von jungen Menschen muss auf geeignete Rahmenbedingungen treffen, um ein hohes Wohlbefinden zu ermöglichen. Eine starke Handlungsmächtigkeit ist für das Wohlbefinden förderlich, reicht aber allein nicht aus und kann zu Frustration und Resignation führen, wenn sie etwa auf ein restriktives und hinderliches Lebensumfeld trifft. Umgekehrt kann ein förderliches Umfeld Agency und Wohlbefinden steigern. Jugendrelevante Kontexte, bzw. Institutionen, wie z. B. die Schule oder Universität als formale Bildungsinstitution, Jugendhäuser als soziale Begegnungs- und non-formale Bildungsorte oder Strukturen der Fremdunterbringung (Service Logement En Milieu Ouvert [SLEMO]), können Ermöglichungsräume zur Verfügung stellen, Partizipation fördern und das Empowerment von Jugendlichen stärken; insbesondere wenn Erfahrungen von Selbstverwirklichung, Autonomie und Selbstwirksamkeit gemacht werden können (Seckinger, 2013). Für eine ressourcenorientierte Perspektive auf Wohlbefinden und Gesundheit muss demnach nicht nur die Stärkung personaler Ressourcen, sondern insbesondere auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Blick genommen werden.

So ist beispielsweise die Schule eine Institution, in der Jugendliche viel Zeit verbringen und mit bestimmten sozialen und leistungsbezogenen Anforderungen konfrontiert werden. Sich in der Schule wohlfühlen zu können, wird entscheidend durch die Gestaltung des sozialen Miteinanders, die Leistungserfolge, den empfundenen Stress und die vorhandenen Ressourcen in der Schule mitbestimmt. Eine positive Schulkultur kann somit einen wichtigen Beitrag zum Wohlbefinden und der Gesundheit der Schüler leisten.

Wohlbefinden bedarf daher immer auch geeigneter struktureller Rahmenbedingungen in jugendspezifischen Institutionen. Die Beteiligung des Jugendlichen an seiner Lebensgestaltung wird in den Befähigungsansätzen als unerlässlich für die Herstellung von Wohlbefinden erachtet. Partizipation, Aushandlungsprozesse, Einflussnahme und Anerkennung können als zentrale Konzepte jugendspezifischer Institutionen die Handlungsmöglichkeiten von Jugendlichen fördern und somit die Ressourcen, die zur Gewinnung von Wohlbefinden nötig sind, entscheidend stärken.

Die Covid-19-Situation

Die pandemische Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 hat in Bezug auf den Erwerb von Handlungsmöglichkeiten und die zur Verfügung stehenden Anwendungsräume und -optionen zu einer beträchtlichen Veränderung der Lebenswelt der Jugendlichen fast überall auf der Welt und so auch in Luxemburg geführt (Residori et al., 2020). Auch wenn bei Jugendlichen eine Erkrankung an Covid-19 häufig milder als bei älteren Menschen verläuft, so sind Jugendliche zwar in der Regel vom Virus schwächer betroffen, von den Maßnahmen jedoch eher stärker (Calmbach et al., 2020). Kontaktbeschränkungen, Homeschooling, remote work, Reisebeschränkungen und Versammlungsbeschränkungen haben das Leben verändert und können zu sozialer Isolation und Verunsicherung bzgl. der wirtschaftlichen, schulischen und beruflichen Zukunft Jugendlicher führen. Die eingeschränkte Bandbreite an Aktivitäten und die Verengung der Lebenswelten stellen somit starke Einschnitte im alltäglichen Leben der Jugendlichen dar.

Zudem kann die durch Covid-19 beeinflusste Lebenssituation eine Veränderung der Wertschätzung und des wahrgenommenen Stellenwertes von Wohlbefinden und Gesundheit im Alltag der Jugendlichen bedingen. So zeigen strukturelle und gesellschaftliche Einflussfaktoren insgesamt betrachtet einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen. Die Schule als gemeinsamer Lernort, die direkte Kommunikation und Interaktion mit Freunden, gemeinsame Freizeit, physische Nähe, Vertrauen in die Zukunft und partizipative Teilhabe haben eine wichtige Bedeutung und scheinen sich in nicht unerheblichem Maße auf das Wohlbefinden von Jugendlichen auszuwirken. Die infolge der Covid-19-Situation ergriffenen politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen haben zu Einschränkungen in diesen Bereichen geführt und damit die Gruppe der Jugendlichen im Hinblick auf ihr Wohlbefinden besonders betroffen.

Die in diesem Kapitel dargestellten Begriffsbestimmungen und theoretischen Erklärungsmodelle haben die Bedeutung verschiedener Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen deutlich werden lassen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eines Landes nehmen auf alle Jugendlichen Einfluss und werden in Kapitel 3 kurz skizziert. Personale Einflussfaktoren (u. a. Geschlecht, Bildung) sowie spezifische soziale (Familie, Peers) und strukturelle Faktoren (u. a. Schule, Arbeit) wurden als wesentliche

Einflussgrößen bei der Gestaltung und Auswertung der Studien zum Wohlbefinden und der Gesundheit berücksichtigt. Hierbei wird dem subjektiven Blickwinkel der Jugendlichen und der Agency-Perspektive ein hoher Stellenwert zuerkannt. Diese Betrachtungsweise spiegelt sich auch in der Auswahl und Ausgestaltung der angewendeten Forschungsmethoden, Datenquellen und der Themenfokussierung der für den Bericht durchgeführten Studien wider. Diese werden im nächsten Kapitel kurz vorgestellt.