2.3.1. Personale Faktoren
Es gibt eine Vielzahl personaler Faktoren, die sich auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen auswirken und das individuelle Handeln von Jugendlichen beeinflussen. Hier werden einige spezifische Faktoren wie das Geschlecht, das Alter, der sozioökonomische Status und die Bildung, sowie exemplarisch für die Persönlichkeitseigenschaften – die Selbstwirksamkeit in den Blick genommen.
Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status und Bildungsstand
Das Alter, das Geschlecht, der sozioökonomische Status und der Bildungstand spielen eine entscheidende Rolle in Bezug auf das Wohlbefinden und die Gesundheit sowie die Ausgestaltung des diesbezüglichen Handelns. In Bezug auf das Alter muss beachtet werden, dass das Jugendalter eine relativ breite Zeitspanne umfasst, in der Jugendliche sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden und verschiedene Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben, die sich auf das Wohlbefinden und das Gesundheitsempfinden so wie das diesbezügliche Handeln auswirken. In Abhängigkeit vom Geschlecht können unterschiedliche Sichtweisen auf Wohlbefinden und Gesundheit zum Tragen kommen, unterschiedliche geschlechtsspezifische Erkrankungen und Belastungen spezifiziert sowie unterschiedliche Bewältigungsmuster identifiziert werden (Grözinger & Piper, 2019). Der sozioökonomische Status sowie der Bildungsgrad stellen Faktoren dar, aufgrund derer u. a. unterschiedliche Ressourcen und Kapitalformen im Sinne Bourdieus von den Jugendlichen im Hinblick auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit erworben und eingesetzt werden können. Somit bietet die Kapitaltheorie, die zur analytischen Betrachtung von Ungleichheitsstrukturen in Gesellschaften entwickelt wurde, auch für wohlbefindens- und gesundheitsbezogenen Forschungen bedeutsames Erklärungspotential.
Bourdieu (1983) unterscheidet zwischen drei verschiedenen Formen des Kapitals: dem ökonomischen, dem kulturellen und dem sozialen Kapital, welche die Stellung bzw. Position eines Jugendlichen im sozialen Raum bestimmen. Ökonomisches Kapital kann bezogen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit finanzielle Ressourcen bereitstellen, die z. B. eine hochwertigere Ernährung, verbesserten Zugang zu Präventionsmaßnahmen, finanziell aufwendigen sportlichen Aktivitäten oder guten Wohnverhältnissen ermöglichen. Zum kulturellen Kapital gehören beispielsweise die erworbene Bildung, aber auch die durch die Sozialisation erworbenen Werte im Hinblick auf Wohlbefinden und Gesundheit. Das soziale Kapital beinhaltet Ressourcen, die durch die Mitgliedschaft zu einer sozialen Gruppe und durch Beziehungsnetze bedingt werden und somit einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden haben können (Abel & Benkert, 2020). Das dem Einzelnen zur Verfügung stehende Kapitalvolumen wird durch den Umfang der drei Kapitalformen bestimmt und legt den Handlungsspielraum einer Person und deren Verortung im sozialen Raum fest. Ungleichheiten im Hinblick auf Wohlbefinden und Gesundheit sowie auf diesbezügliches Handeln können somit durch die individuell unterschiedliche Stellung des Jugendlichen im sozialen Raum bedingt werden (Abel & Benkert, 2020; Veenstra, 2007).
Darüber hinaus spielen soziale Lebensbedingungen und vor allem aber die Capabilities, also die Handlungs- fähigkeiten und Handlungschancen, eine wichtige Rolle im Leben eines Jugendlichen. Der Capability-Ansatz bzw. Befähigungsansatz, der ursprünglich aus der Ökonomie kommt (Sen, 1993), wird mittlerweile auch in der Gesundheits- und Wohlbefindensforschung eingesetzt. „In der Gesundheitsforschung ermöglicht der Verwirklichungschancen-Ansatz ein verbessertes Verständnis von gesundheitlichen Ungleichheiten, und bietet eine theoretische Grundlage für die moderne Gesundheitsförderung.“ (Abel & Benkert, 2020, S. 28). Hierbei wird zwischen Mitteln und Ressourcen, Verwirklichungschancen und realisierten Verwirklichungschancen unterschieden. Im Mittelpunkt der Theorie steht die Freiheit eines Individuums, wobei diese „mögliche Handlungen und Zustände, für die sich eine Person mit guten Gründen entscheiden kann“ (Sen, 2000, S. 20), umfasst. Die einem Jugendlichen zur Verfügung stehenden Ressourcen können dazu eingesetzt werden, Verwirklichungschancen zu vergrößern und hierdurch Bedürfnisse befriedigen zu können. Capabilities sind laut Abel und Benkert (2020) in Bezug auf das Wohlbefinden jedoch nicht nur von der Verfügbarkeit von Ressourcen abhängig, sondern auch im Zusammenhang mit dem sozialen Kontext eines Individuums zu betrachten.
Der Capability-Ansatz sieht die Autonomie des Menschen als zentrales Element; er betont die Möglichkeit der aktiven Gestaltung der Umwelt durch das Individuum und somit das zur Verfügung stehende Potential, gesundheitsrelevantes Handeln verändern zu können. Abel und Schori (2009) sehen hierin die Möglichkeit, durch die Ausweitung von Capabilities gesundheitsförderliches Verhalten zu steigern. Insbesondere könnte die Gesundheit durch unterstützende Maßnahmen im Kindheits- und Jugendalter (durch die Ausweitung von Verwirklichungschancen und die Verbesserung von Entwicklungs- und Widerstandsressourcen) verbessert werden (Abel & Benkert, 2020). In diesem Zusammenhang kann auch die Bedeutung der Partizipation im Hinblick auf die Förderung von Wohlbefinden und Gesundheit betrachtet werden. Studien konnten zeigen, dass die Ermöglichung von Partizipation sich positiv auf das allgemeine, das familiäre und das schulische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen auswirkt (Müthing & Razakowski, 2017). Ebenso zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Partizipation und Gesundheit: „Gelebte und erlebte Partizipation erweitert den Raum für gesundheitsdienliche und gesundheitsförderliche Entscheidungen“ (Rosenbrock & Hartung, 2012, S. 10). Rosenbrock und Hartung gehen davon aus, dass die grundsätzliche Erfahrung, an wichtigen Entscheidungsprozessen beteiligt zu sein, eine gesundheitsförderliche Wirkung zeigt.
Im Agency-Ansatz wird dem Bereich der Partizipation ebenfalls ein hoher Stellenwert zuerkannt. Hier werden die Handlungsmöglichkeiten und die Handlungsmächtigkeit von jungen Menschen als essentiell für die Herstellung oder Aufrechterhaltung von Wohlbefinden und Gesundheit betrachtet (Rademaker, 2018). Dabei werden die real zur Verfügung stehenden Chancen und Möglichkeiten, sich zu verwirklichen, in den Blick genommen. In diesem Ansatz werden jedoch die Grenzen nicht allein in den individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen der Jugendlichen gesehen, sondern vor allem auch in den Chancen, die den Jugendlichen innerhalb ihrer Lebenswelt (z. B. in der Familie, in der Schule, im Betrieb) zur Verfügung gestellt werden. Jugendliche werden als Konstrukteur ihrer Lebenswelt anerkannt und sollen anhand ihrer Bedarfe unter Berücksichtigung von Mängellagen oder Benachteiligungen ihre realen Handlungsoptionen erweitern können und durch Selbstbestimmung und Autonomie ihre Agency in Bezug auf Wohlbefinden und Gesundheit erlangen und stärken. „Agency beschreibt die realen Handlungsoptionen der Menschen, sich für oder gegen ein Handeln zu entscheiden, und betrachtet diese Optionen in Relation zum situativen Kontext, in dem sie sich befinden“ (Rademaker & Liel, 2018, S. 32), wobei die Optionen, die einem Jugendlichen zur Verfügung stehen von den eigenen Fähigkeiten, Möglichkeiten, Motiven und gesellschaftlichen Normen und Werten beeinflusst werden können.
Persönlichkeitseigenschaften
Einen weiteren wichtigen personalen Faktor stellen die Ausprägungen von bestimmten traits (Persönlichkeitseigenschaften) dar. Im Zusammenhang mit Wohlbefinden und Gesundheit ist insbesondere die Selbstwirksamkeit zu nennen. Diese Eigenschaft stellt eine starke Ressource im Leben der Jugendlichen dar, um mit spezifischen Herausforderungen zurechtzukommen. Die Jugendzeit ist eine besonders stressbehaftete Lebensphase, wobei der Umgang mit Stress und seine erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Bewältigung das Wohlbefinden, die Gesundheit und das damit zusammenhängende Handeln entscheidend beeinflussen kann. Interaktionistische Stressmodelle gehen davon aus, dass Stress vor allem dann entsteht, wenn es zu einem Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen der Umgebung und den individuellen Ressourcen der betroffenen Person kommt (Faltermaier et al., 2017). Hierbei spielen die zur Verfügung stehenden und eingesetzten Copingstrategien, also die Bewältigungsstrategien, eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Auswirkungen von Herausforderungen und Belastungen (Stress) auf das Wohlbefinden und die Gesundheit. Als Copingstrategien werden die Bemühungen verstanden, die eine Person aufwendet, um mit der Stresssituation umgehen zu können und möglichst wenig Schaden zu erleiden (Franzkowiak & Franke, 2018). Hierbei kann die Selbstwirksamkeit als eine wichtige Ressource betrachtet werden. Sie beschreibt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Situationen und Herausfor- derungen erfolgreich bewältigen zu können (Bandura, 1977). Eine hohe Selbstwirksamkeit kann stressreduzierend wirken und somit einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit ausüben, ebenso wie auf die Entwicklung von Resilienz (Antonovsky, 1997; Burger & Samuel, 2017). Sie bezeichnet die Fähigkeit der Widerstandskraft oder inneren Stärke, mit belastenden Situationen umgehen zu können (Wustmann, 2004), und entwickelt sich durch die erfolgreiche Interaktion und Auseinandersetzung mit der Umwelt.