Spotlight: Veränderung des Wohlbefindens durch die Covid-19-Pandemie
Die Corona-Krise hat viele Einschränkungen in unserem täglichen Leben mit sich gebracht. Nicht nur mussten (und müssen derzeit noch) alle Menschen Maske tragen und Abstand halten: Es galt während des Confinements auch, nach Möglichkeit zuhause zu bleiben und soziale Kontakte drastisch zu reduzieren. Das hatte einen Effekt auf das Wohlbefinden – auch von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Unsere Umfragen haben gezeigt, dass sich die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen in Luxemburg im Vergleich der Jahre 2019 und 2020 deutlich verändert hat: Die Zahl der jungen Menschen, die mit ihrem Leben durchschnittlich zufrieden war, nahm ab – nicht nur zu Gunsten der Unzufriedenen, sondern auch der sehr Zufriedenen. Es kam also zu einer Polarisierung. Dabei gibt es allerdings Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht, Migrations- und sozioökonomischem Status: Die Lebenszufriedenheit von Mädchen, älteren Jugendlichen sowie Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischem Status hat sich stärker verschlechtert, als bei anderen Gruppen. In diesem Spotlight gehen wir den Auswirkungen von Corona auf das Wohlbefinden junger Menschen im Detail nach.
Die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen haben weltweit einen Effekt auf das Wohlbefinden von Jugendlichen. Viele internationale Studien beschreiben die Auswirkungen der Pandemie auf Stressempfinden, das Gefühl der Einsamkeit und andere Sorgen. Als Folge zeigen sich auch Veränderungen im kognitiven und affektiven Wohlbefinden von Jugendlichen (Baier & Kamenowski, 2020; Entringer et al., 2020; Fegert et al., 2020; GENYOUth, 2020; Magson et al., 2020; Ravens-Sieberer et al., 2021; Riiser et al., 2020). Im Folgenden wird ausgewiesen, wie sich das Wohlbefinden von Jugendlichen in Luxemburg in der Pandemie verändert hat.
Veränderung des kognitiven und affektiven Wohlbefindens
In einem Bericht des Statec wird die Abnahme der Lebenszufriedenheit der Gesamtbevölkerung in Luxemburg während der Covid-19-Pandemie beschrieben. Besonders in den ersten Wochen des Confinements war demnach die Lebenszufriedenheit niedrig, wohingegen sie bei Eintritt des Deconfinements wieder etwas höher war (Allegrezza, 2020). Die Beobachtung einer niedrigeren Lebenszufriedenheit während der Pandemie zeigt sich auch in internationalen Studien zu Jugendlichen (Baier & Kamenowski, 2020; Magson et al., 2020; Riiser et al., 2020). Der Vergleich zwischen YSL 2019 und YAC 2020 hat für Luxemburg ergeben, dass die durchschnittliche Lebenszufriedenheit von Jugendlichen während der Pandemie zwar nur geringfügig, aber statistisch signifikant niedriger war7. Dabei ist die Lebenszufriedenheit nicht gleichmäßig bei allen Befragten gesunken – vielmehr gab es eine Polarisierung in mehreren soziodemografischen und sozioökonomischen Gruppen: Während der Anteil der Befragten mit einer niedrigen Lebenszufriedenheit beziehungsweise einer hohen Lebenszufriedenheit stieg, sank der Anteil der Befragten mit einer mittleren Lebenszufriedenheit (siehe Abbildung 20).
Diese Polarisierung zeigte sich sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Befragten. Es lässt sich jedoch eine vergleichsweise starke und statistisch signifikante Zunahme der niedrigen Lebenszufriedenheit für weibliche Befragte (von 19,3 auf 33,6 %) im Vergleich zu den Männern feststellen (von 23,6 auf 31,7 %). Für männliche Befragte ist ebenfalls eine Zunahme der hohen Lebenszufriedenheit auszumachen (von 9,1 auf 12,5 %) (siehe Abbildung 20). Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zwischen männlichen und weiblichen Befragten insgesamt jedoch verringert.
Bezüglich des Alters ist hervorzuheben, dass der Anteil der 26- bis 29-Jährigen mit einer niedrigen Lebenszufriedenheit um rund 15 Prozentpunkte von 20,4 auf rund 34,1 % gestiegen ist, während der Anstieg für 16- bis 20-Jährige nur 7 Prozentpunkte beträgt (von 19,7 auf 26,8 %). Das könnte darauf hindeuten, dass ältere Jugendliche verhältnismäßig stärker unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie gelitten haben als jüngere.
Differenziert nach sozioökonomischem Status (SES) lassen sich unterschiedliche Veränderungen der Lebenszufriedenheit nachweisen (siehe Abbildung 20). Bei Befragten mit mittlerem SES zeigt sich ein statistisch signifikanter Anstieg des Anteils der Personen mit niedriger Lebenszufriedenheit von 17,3 auf 30,2 %, während dieser Anteil für Befragte mit niedrigem SES sogar von 49,5 auf 72,7 % steigt. Für Befragte mit hohem SES zeigen sich zwar geringfügige und statistisch nicht signifikante Veränderungen der Lebenszufriedenheit, diese Befragtengruppe weist jedoch nach wie vor höchste Lebenszufriedenheit auf.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen sich zwischen 2019 und 2020 teilweise stark verändert hat. Während die Lebenszufriedenheit für einen großen Teil der Jugendlichen zurückging, wurde bei einem kleinen Teil auch ein Anstieg deutlich. Dabei zeigten sich Unterschiede nach Alter, Geschlecht, Migrationsstatus und sozioökonomischem Status. Neben der Polarisierung, die sich für alle Gruppen gezeigt hat, wurde deutlich, dass sich die Lebenszufriedenheit bei Mädchen, älteren Jugendlichen, sowie Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischem Status vergleichsweise stark verschlechtert hat.
Schauen wir auf die Veränderung des affektiven Wohlbefindens8 von jungen Menschen in Luxemburg, so zeigen sich nur geringfügige und statistisch nicht signifikante Veränderungen, die von einer Stabilität des affektiven Wohlbefindens der Jugendlichen zum Zeitpunkt der Befragung zeugen.9
In Anbetracht der Tatsache, dass die YAC-Befragung während des Deconfinements stattgefunden haben, könnte dies entsprechend bedeuten, dass sich das affektive Wohlbefinden zu jenem Zeitpunkt bereits wieder vom ersten Schock der Pandemie und den entsprechenden Maßnahmen erholt hat, während das kognitive Wohlbefinden von der Gesamtsituation nachhaltiger betroffen war.
Selbsteingeschätzte Gesundheit und das veränderte Verständnis von Gesundheit
Der Vergleich zwischen YSL 2019 und YAC 2020 hat ergeben, dass die Befragten ihre Gesundheit zu Beginn der Epidemie nicht signifikant anders einschätzen als vorher. In einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hingegen wird von einer leicht gestiegenen Zufriedenheit der Bevölkerung Deutschland mit ihrer Gesundheit zu Beginn der Epidemie berichtet.10 Dies wird auf einen „Kontrasteffekt“ zurückgeführt, der die eigene Gesundheit im Kontext der Covid-19-Pandemie als weniger relevant und entsprechend zufriedenstellend wirken lässt (Entringer et al., 2020), was erklären kann, warum es bei den Jugendlichen in Luxemburg keine Verschlechterung gab. Hinzu kommt, dass Jugendliche auch seltener von schweren Krankheitsverläufen im Falle einer Infektion betroffen sind und sie sich entsprechend weniger um ihre eigene Gesundheit sorgen (Magson et al., 2020). Dies wird in den qualitativen Befragungen von Jugendlichen in Luxemburg deutlich. Jugendliche sehen sich durch eine Infektion mit dem Virus nicht sonderlich in Gefahr, wie zum Beispiel das folgende Zitat illustriert:
„Ech denken, ech sinn méi zefridden mat der Gesondheet, déi ech hunn, vu dass ech net wierklech vum Covid eng Personne à risque sinn. Dat heescht, ech sinn méi dankbar fir meng Gesondheet, awer soss net vill geännert, nee.“
(Luc, 18 Jahre, 4:3)
Für einige Jugendliche ist durch die Covid-19-Pandemie ihre Gesundheit, vor allem ihre mentale Gesundheit, stärker in den Vordergrund gerückt. Die höhere Bedeutsamkeit der mentalen Gesundheit begründen diese Jugendlichen damit, dass der Eingriff in das soziale Leben während des Confinements dazu führte, dass sie sich durch die fehlenden sozialen Kontakte teilweise einsam fühlten und sich mehr mit sich selbst und demnach mit ihrer mentalen Gesundheit auseinandersetzen mussten. Die Studentin Katharina erzählt, wie sie während des Confinements allein in ihrem Studio-Apartment war und ihr durch diese Erfahrung bewusst geworden sei, dass Gesundheit nicht nur bedeutet, dass es ihr körperlich gut geht, sondern eben auch mental.
„Well et am Ufank och ganz ustrengend gewiescht ass fir mech. Ganz eleng ze sinn an engem klengen Studio. An do hunn ech wierklech gemierkt: ‚Okay, Gesondheet heescht net nëmmen, dass et dengem Kierper gutt geet. Kapp an d’mental Gesondheet ass och immens wichteg‘.“
(Katharina, 29 Jahre, 1:3)
Die Aussagen der Jugendlichen lassen somit auf eine erhöhte Sensibilität für die eigene Gesundheit schließen. Jugendliche machen sich nun mehr Gedanken über ihre Gesundheit, vor allem über ihre mentale Gesundheit.
6 Die Spotlights zu den Kapiteln 4, 5 und 6 dieses Berichtes wurden von den Autoren des Kapitels 7 verfasst: Caroline Residori, Lea Schomaker, Magdalena Schobel, Tabea Schulze und Andreas Heinen.
7 Auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) lag der Durchschnittswert 2019 bei 6,7, während 2020 der Durchschnittswert bei 6,2 lag.
8 Affektives Wohlbefinden wird hier gemessen anhand des WHO-5-Wohlbefindens-Index (YSL 2019; YAC 2020).
9 Dies scheint den anfangs vorgestellten Ergebnissen zur Verschlechterung der Lebenszufriedenheit zunächst zu Es bleibt jedoch zu beachten, dass bei der Auswertung von Daten des kognitiven Wohlbefindens bzw. der Lebenszufriedenheit und des affektiven Wohlbefindens sowohl der Erhebungszeitraum als auch die strukturellen Unterschiede in Betracht gezogen werden müssen. Luhmann, Hawkley, et al. (2012) und Luhmann, Hofmann, et al. (2012) beschreiben beispielsweise, dass einschneidende Lebensereignisse häufig eher anhaltendere und beständigere Effekte auf das kognitive Wohlbefinden haben als auf das affektive Wohlbefinden, welches wiederum als schneller anpassungsfähig beschrieben wird.
10 Erhebungszeitraum war hier April bis Juni 2020.