5.2.2. Mediennutzung und digitale Kommunikation
Die Nutzung unterschiedlicher Medien stellt seit langem einen wichtigen Teil der Freizeitgestaltung von Jugendlichen dar, wobei die Rolle digitaler Medien immer wichtiger wurde (Bell et al., 2015; Erbeldinger, 2003; Thole & Hölich, 2008). In den letzten Jahrzehnten konnte auch für luxemburgische Jugendliche ein Bedeutungsverlust traditioneller Printmedien festgestellt werden, wohingegen die digitale Mediennutzung an Bedeutung gewann (Bardes, 2009; Décieux et al., 2018).
Mediennutzung und digitale Kommunikation stehen zudem in enger Verbindung mit dem subjektiven Wohlbefinden und dem Gesundheitsempfinden der Jugendlichen. In mehreren Studien wurde eine Verbindung zwischen der Nutzung digitaler Medien und Bewegungsmangel, kalorienreicher Ernährung, Übergewicht und Schlafmangel festgestellt (Cleland Woods & Scott, 2016; Kenney & Gortmaker, 2017). Darüber hinaus wurden Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und psychischem Wohlbefinden diskutiert, jedoch sind die Befunde hierzu nicht eindeutig (Orben, 2020). Einige Studien beschreiben Zusammenhänge zwischen übermäßiger Mediennutzung – besonders sozialer Netzwerke – und dem Vorhandensein depressiver Symptome, einem niedrigen Selbstwertgefühl, einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, größerer Ängstlichkeit, Suchtverhalten oder sogar Selbstmordgefährdung (Cleland Woods & Scott, 2016; Sherlock & Wagstaff, 2019; Twenge et al., 2018). Andere Studien schätzen diese Zusammenhänge hingegen als nicht generalisierbar ein (Berryman et al., 2018; Orben, 2020). Weiterhin wird diskutiert, ob übermäßiger Konsum digitaler Medien zu depressiven Symptomen führt oder ob depressive Verstimmungen die ausschlaggebenden Faktoren für eine vermehrte Nutzung digitaler Medien sind (Heffer et al., 2019). Darüber hinaus belegen Studien auch positive Effekte der digitalen Mediennutzung auf das psychische Wohlbefinden, beispielsweise durch bestimmte Formen der Online-Kommunikation oder des Spielens von Computerspielen (Burke & Kraut, 2016; Durkin & Barber, 2002; Granic et al., 2014).
Im Folgenden wird ein Überblick über das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen gegeben, wobei der Fokus auf digitale Medien und die Motive hinter dem Nutzungsverhalten gelegt wird.
Das Mediennutzungsverhalten der Jugendlichen
Jugendliche nutzen eine Vielzahl unterschiedlicher Medien. In den qualitativen Interviews wurde deutlich, dass Smartphones die wichtigsten digitalen Endgeräte für die Jugendlichen darstellen, jedoch auch Computer oder Laptops, Fernseher, Tablets und Spielkonsolen relevant sind. Die Relevanz digitaler Medien im Jugendalter ist durch empirische Studien wie etwa die JIM-Studie 2018 gut belegt (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest et al., 2020). Die Ausstattung der Jugendlichen in Luxemburg mit Smartphones, Computern oder Laptops und Fernsehgeräten ist nahezu flächendeckend. 99 % der 16- bis 24-Jährigen nutzen das Internet täglich. Insgesamt 88 % der 16- bis 24-Jährigen verwenden für die private Internetnutzung ein Smartphone, 74 % einen Laptop oder ein Notebook und 44 % einen PC (Frising, 2019).
Im Rahmen des YSL 2019 wurden die jungen Erwachsenen (18- bis 29-Jährigen) nach der Häufigkeit der Nutzung ausgewählter Medien befragt1. In der Auswertung zeigt sich, dass die digitale Mediennutzung eine außerordentlich wichtige Rolle im Freizeitverhalten der Jugendlichen spielt. Im Internet surfen, Musik hören, Serien oder Filme streamen und Fernsehen gehören zu den häufigsten Freizeitaktivitäten. Traditionelle Medien wie Bücher und Zeitungen nehmen eine weniger wichtige Rolle ein (siehe Abbildung 23).
In Bezug auf die Nutzung digitaler Medien zeigen sich zum Teil große Unterschiede nach Geschlecht oder Alter. Abbildung 24 zeigt, dass junge Frauen etwas häufiger als junge Männer angeben, täglich im Internet zu surfen, fernzusehen oder Serien oder Filme zu streamen. Dagegen spielen junge Männer deutlich häufiger am Computer oder auf einer Konsole. So geben von den männlichen Befragten insgesamt 6,8 % an, täglich zu spielen, bei den weiblichen Befragten liegt der Anteil mit 0,5 % deutlich niedriger. Dabei geben doppelt so viele junge Frauen wie junge Männer an, nie zu spielen.
Weiterhin unterscheidet sich die Nutzung digitaler Medien nach dem Alter der Befragten. So zeigt sich, dass jüngere Befragte häufiger angeben, täglich im Internet zu surfen oder Filme zu streamen, als ältere. Dagegen ist tägliches Fernsehen in den älteren Altersgruppen stärker ausgeprägt als in den jüngeren Altersgruppen.
Jugendliche nutzen das Internet vor allem als Kommunikationsmedium. Fast alle Jugendlichen nutzen täglich Instant-Messaging-Programme, soziale Netzwerke oder schreiben E-Mails (Frising, 2017). Jugendliche nutzen diese Anwendungen vor allem für die Kommunika- tion mit Freunden. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen gibt an, mehrmals täglich oder fast den ganzen Tag über Online-Kontakt mit engen Freunden zu haben. Bei etwas über 30 % gilt dies für den größeren Freundeskreis oder andere Personen (z. B. Eltern, Geschwister, Klassenkameraden, Lehrer) (HBSC 2018, 11- bis 17-Jährige).
Dabei zeigt ein Teil der Jugendlichen in Bezug auf soziale Medien durchaus ein problematisches Nutzungsverhalten. Mit Hilfe der Social Media Disorder Scale (SMD) konnten Heinz, Kern, et al., (2020) in der Altersgruppe der 11- bis 18-Jährigen für 5,9 % ein problematisches Nutzungsverhalten2 zeigen. Differenziert nach soziodemografischen Merkmalen zeigt sich, dass Mädchen soziale Medien etwas häufiger in problematischer Weise nutzen als Jungen.
Motive und Ursachen digitaler Mediennutzung der Jugendlichen
Die private Nutzung digitaler Medien ist eine wichtige Freizeitbeschäftigung der Jugendlichen; die Motive dafür sind breit gefächert. Sie reichen von Selbstverwirklichung über Unterhaltung und Kommunikation bis hin zu Regeneration und Entspannung. Darüber hinaus können die Jugendlichen durch (digitale) Freizeitaktivitäten ihre Stimmung beeinflussen und positive Emotionen generieren, was zu einer Steigerung ihres subjektiven Wohlbefindens beitragen kann (Brajša-Žganec et al., 2011; Caldwell, 2005).
Die digitale Mediennutzung trägt auf verschiedene Weise zum subjektiven Wohlbefinden der Befragten bei. Die Möglichkeit der Kommunikation mit anderen Personen, vor allem mit Freunden und Familienmitgliedern, spielt hierbei eine große Rolle. Online-Kontakte ergänzen (und ersetzen teilweise) den persönlichen Austausch mit Peers und stellen einen zentralen Aspekt des Sozialverhaltens von Jugendlichen dar (Décieux et al., 2018). Viele Jugendliche heben in den Interviews diesen sozialen Aspekt der Handynutzung hervor. Sie bewerten es positiv, dass die Kommunikation durch Smartphones mit Internetzugang erheblich erleichtert wurde und nun über große Distanzen problemlos möglich ist. Eine besonders große Rolle spielen die Kommunikationsmöglichkeiten von Smartphones mit Internetzugang für jene interviewten Personen, deren Familien oder Freunde im Ausland leben. Der 16-jährige Schüler Sam sieht in der Kommunikation mit weit entfernt lebenden Freunden ein zentrales Motiv für seine Handynutzung.
„Mee Handy ass virun allem wichteg fir mech, well ech, domat definéieren ech och Kommunikatioun, also en Deel dovunner zumindest. Virun allem Fernkommunikatioun. […] Wann een wéi ech Kolleegen huet, déi ganz wäit ewech wunnen, dass een awer nach Kontakt mat deenen hunn kann.“
(Sam, 16 Jahre, 21:61)
Nicht nur bei der Nutzung mobiler Geräte, auch beim Spielen am Computer oder an Konsolen werden soziale und kommunikative Motive deutlich. Jugendliche treffen sich mit Freunden oder spielen zusammen mit ihren Geschwistern und identifizieren den sozialen Austausch als wichtigsten Aspekt der Aktivität. Durch den Kontakt mit ihren Freunden per Telefon, über Computer oder Konsolen steigern sie ihr subjektives Wohlbefinden.
Die Nutzung digitaler Medien und den digitalen Austausch mit Freunden beschreiben viele Jugendliche als einen wichtigen Ausgleich zum Alltag. Sie kommen auf andere Gedanken, entspannen, erleben den Austausch als stress- und sorgenfrei. Die Motivation zu entspannen oder abzuschalten, ist vor allem bei Filmen und Serien sowie bei Video- und Computerspielen im Vordergrund. Besonders wenn der Alltag als stressig und anstrengend empfunden wird, gewinnt diese Funktion an Bedeutung. Lara, die ihren Medienkonsum in bestimmten Bereichen als zu hoch einschätzt, beschreibt die Entspannung durch Medienkonsum.
„Ech weess net, et bréngt mech erof an sou, wann ech owes vun engem laangen Dag heem kommen sou, an da kann ech meng Serie kucken, da kann einfach entspanen a relaxen. ‘t ass awer wichteg fir mech.“
(Lara, 17 Jahre, 12:28)
Neben den positiven Aspekten sprechen einige Jugendliche darüber hinaus negative Auswirkungen des digitalen Medienkonsums auf ihr subjektives Wohlbefinden und ihr Gesundheitsempfinden an. Diese werden in Kapitel 5.3 diskutiert werden.
1 Die Auswahl der Items ist an der SHELL-Jugendstudie orientiert und wurde an das Alter der Befragten im Youth Survey angepasst (Shell Deutschland Holding, 2010).
2 Mit der „Social Media Disorder Scale (SMD)“ wird problematische Nutzung mit Hilfe von neun Indikatoren erfasst, Wenn mindestens sechs Indikatoren bejaht wurden, wird das Nutzungsverhalten als problematisch eingestuft (Heinz, Kern, et al., 2020).