5.3.2. Die Abwägung zwischen der kurzfristigen Steigerung des subjektiven Wohlbefindens und möglichen Gesundheitsschäden in der Zukunft
Bei bestimmten Handlungen werden der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse und der kurzzeitigen Steigerung des subjektiven Wohlbefindens eine größere Bedeutung zugesprochen als möglichen gesundheitsschädigenden Folgen in der Zukunft (Faltermaier et al., 2017; Pinquart & Silbereisen, 2002; Raithel, 2004). Sich durch das Rauchen eine Pause zu gönnen, beim Trinken von Alkohol das gesellige Beisammensein mit Freunden zu genießen oder durch das Anschauen von Serien zu entspannen, steigert für die Zeit der Handlung das subjektive Wohlbefinden. In der Jugendphase kann dies zudem in Verbindung mit Entwicklungsaufgaben betrachtet werden. Soziale Anerkennung und Akzeptanz durch die Peers, der Ablösungsprozess von den Eltern oder das Eindringen in die Welt der Erwachsenen sind wichtige Hintergründe und Motive für potentiell riskante Verhaltensweisen der Jugendlichen (Faltermaier et al., 2017; Pinquart & Silbereisen, 2002; Raithel, 2010).
Die gesundheitlichen Schäden, die eventuell in der Zukunft auf die Jugendlichen zukommen, werden dabei den unmittelbaren positiven Effekten der Handlungen nachgeordnet (Faltermaier et al., 2017; Nitzko & Seiffge-Krenke, 2009; Pinquart & Silbereisen, 2002). Da Jugendliche meist bei guter körperlicher Gesundheit sind, spüren sie zunächst auch kaum gesundheitliche Beeinträchtigungen durch ihre Verhaltensweisen (Nitzko & Seiffge-Krenke, 2009). Dies führt zusammen mit einem generellen Empfinden von Invulnerabilität und einer optimistischen Verzerrung (optimistic bias) im Jugendalter zu einem gehäuften Auftreten von gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen (Faltermaier et al., 2017; Nitzko & Seiffge-Krenke, 2009).
Die erwerbstätige Chantal, die das Rauchen zur Entspannung und zum Stressabbau nutzt, nimmt derzeit noch keine schädigenden Folgen wahr, weshalb sie ihrer „kleinen Sünde“ weiterhin nachgeht.
„Mee fir de Moment stéiert et mech net. Ech mierken, et schuet menger Gesondheet elo de Moment nach net. […] ‘t ass eben déi kleng Sünde, déi een muss hunn am Liewen. ‘t lieft een nëmmen eng Kéier.“
(Chantal, 27 Jahre, 62:18)
Der Genuss beim Konsum ungesunder Nahrungsmittel oder die Entscheidung, gemütlich vor dem Fernseher zu sitzen, anstatt nach einem anstrengenden Tag Sport zu treiben, können ebenfalls kurzfristig zum subjektiven Wohlbefinden der Jugendlichen beitragen. Sich gelegentlich etwas zu gönnen, kann guttun und das subjektive Wohlbefinden steigern. Dabei stehen für die Jugendlichen die unmittelbaren positiven Effekte im Vordergrund und mögliche langfristige Folgen werden vernachlässigt.
„Mee awer heiansdo hunn ech dann och Deeg, wou ech mer denken: ‚wann s de haut eng Tut Chips ëss, dat deet der och gutt.‘“
(Sylvie, 27 Jahre, 60:16)
Jugendliche sehen oftmals einen größeren Vorteil in den unmittelbaren Auswirkungen ihrer Handlungen und deren positivem Einfluss auf ihr subjektives Wohlbefinden. Selbst wenn sie sich der möglichen negativen Folgen für ihre Gesundheit bewusst sind, führt dies nicht unbedingt dazu, dass schädigende Verhaltensweisen aufgegeben werden.